Dr. Michael Bürsch über bürgerschaftliches Engagement
Herr Bürsch, ein Großteil Ihres Wirkens steht unter dem Zeichen des bürgerschaftlichen Engagements. Aus welchem Impuls heraus?
Michael Bürsch: Als ich 1997 Abgeordneter im Bundestag wurde, hatte mir der damalige Geschäftsführer der SPD-Fraktion das Thema nahegebracht. Demokratie lebt davon, dass Bürger an der gesellschaftlichen Entwicklung mitwirken, das ist die Verbindung zum bürgerschaftlichen Engagement. Schnell stand dann mein Entschluss fest, Engagement zum Schwerpunkt meiner politischen Arbeit zu machen.
Das Bundeskabinett hat jüngst den Ersten Engagementbericht verabschiedet. Den Auftrag dazu hatte es 2009 durch den Deutschen Bundestag bekommen. Mit welchen Zielen?
Michael Bürsch: Das Thema sollte nach der Enquete-Kommission auf der politischen Agenda bleiben. Bürgerschaftliches Engagement ist ein Querschnittsthema. Es umfasst alle Politikbereiche. Das bürgerschaftliche Engagement muss mit Partizipation verbunden werden. Bürger müssen an Entscheidungen für das Gemeinwesen umfassend beteiligt werden. Noch besser: Die Bürger prägen durch ihre eigene Aktivität das Gemeinwesen.
Entspricht der Erste Engagementbericht Ihren Erwartungen?
Michael Bürsch: Nein! Ich sage es mit Goethe: "Getretener Quark wird breit, nicht stark." Der 1300 Seiten starke Bericht orientiert sich nicht an bestimmten Zielen. Er gibt keine klaren Handlungsempfehlungen vor. Jeder kann herauslesen, was er gerne möchte.
Schwerpunkt des Engagementberichts ist das Engagement von Unternehmen. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Michael Bürsch: Der Bericht ist enttäuschend. Er bringt keinen bürgergesellschaftlichen Geist in die Diskussion über das Unternehmensengagement. Es wird nicht deutlich, dass Unternehmen Teil der Gesellschaft sind. Auch in der Bestandaufnahme wird Engagement praktisch nur in Euro gemessen. Unternehmen investieren dort angeblich 11,2 Mrd. Euro, davon seien 8,5 Mrd. Euro finanzielle Zuwendungen. Das ist der falsche Ansatz. Es geht nicht allein ums Geldgeben. Die Summen beantworten auch nicht die Frage, was mit dem Geld gesellschaftlich bewirkt wird.
Laut Engagementbericht ist bürgerschaftliches Engagement "freiwillige Mitverantwortung" und "Bürgerpflicht". Das ist ein Widerspruch.
Michael Bürsch: Entscheidendes Element beim bürgerschaftlichen Engagement ist die Freiwilligkeit, alles andere ist kontraproduktiv. Bürgerschaftliches Engagement ist ein Bürgerrecht, keine Pflicht. Mit der neuen Definition bekommt das Thema einen ideologischen Zugang, der nicht förderlich ist. Sollte sich diese Betrachtung durchsetzen, werden die 23 Millionen derzeit Engagierten die Freiwilligkeit ihres Tuns und die Motivation zum Engagement infrage gestellt sehen.
Welche Maßnahmen sollte die Bundesregierung Ihrer Meinung nach ergreifen, um bürgerschaftliches Engagement zu stärken?
Michael Bürsch: Wir brauchen eine seriöse Förderung der Bürgerbeteiligung. Bürger wollen zum Beispiel nicht nur über Infrastrukturmaßnahmen im Internet informiert werden, sondern Teil der Entwicklungsprozesse sein. Bürger sind nicht Zuschauer, sondern Teilnehmer. Hier können Kommunen wie Unternehmen Entfaltungsmöglichkeiten anbieten und Diskussionen ermöglichen. Auch müssten die Landes- und Kommunalebene bei der Engagementpolitik besser mit der Bundesebene verknüpft werden.
Sie sind Mitbegründer des CCCD. Die Abkürzung steht für "Centrum für Corporate Citizenship Deutschland". Was passiert dort?
Michael Bürsch: Das CCCD ist eine gemeinnützige Organisation. Sie begleitet Unternehmen beim eigenen gesellschaftlichen Engagement, das weit über einfaches Spenden hinausgeht. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen wie dem demografischen Wandel, Bildung, Energiewende etc. Nur im Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft lassen sich diese Aufgaben stemmen. Das CCCD bringt alle an einen Tisch und ermöglicht Kooperationen.
Vom Beirat im Deutschen Feuerwehrverband bis zum Jury-Mitglied in der Quandt-Stiftung - Sie haben schier unzählige ehrenamtliche Aufgaben übernommen. Haben Sie noch Freizeit?
Michael Bürsch: Wieso? Der Tag hat doch 24 Stunden! Nein, im Ernst: Seit ich aus der Politik ausgeschieden bin, sind alle Aktivitäten freiwillig. Mir bleibt genügend Zeit für Familie und Freunde. Und natürlich für Bücher. Was wäre das Leben ohne Bücher?
Autor:Anett Baron aus Mitte |
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