Ein Novum in Berlin: Autoversicherer finanziert Straßenreparatur
Ein Unternehmen stopft die Löcher im klammen Bezirk; die in der Kasse und die im Asphalt. Mitte lässt sich jetzt das Flicken seiner Schlaglöcher von Privaten bezahlen. Sponsoren sind im Rathaus immer willkommen. Diesmal hatte die Teltower Direct Line Versicherung AG die Idee, mit einem besonderen Sponsoring in die Schlagzeilen zu kommen. Und kaputte Straßen sind für einen Autoversicherer "ein großes Thema", wie Direct Line-Sprecher Robert Burkhardt sagt.
Die PR-Strategen wollten erst in einer unangekündigten Guerillakampagne einfach ein paar Schlaglöcher zuschmieren und so Aufmerksamkeit erzeugen. Doch man entschied sich, offiziell seine Hilfe als Schlaglochsponsor anzubieten. Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) sagte ja und schwang mit Direct Line-Chef David Stachon pressewirksam in der Grunerstraße die Schaufel. Das gemeinsame Foto mit Mittes obersten Schlaglochverantwortlichen ist das einzige, was die Teltower Versicherungsfirma als Gegenleistung für die Spendenaktion bekommt. "Die müssen im Bezirksamt jetzt nicht ihr Auto bei uns versichern", sagt Robert Burkhardt.
Insgesamt 80 Schlaglöcher haben die Bautrupps im Auftrag der "Direct Line Schlagloch-Offensive" repariert. Etwas über 10 000 Euro hat sich das Unternehmen die Werbeaktion kosten lassen. Läuft die Imageaktion gut, will sich Direct Line auch deutschlandweit als Schlaglochsponsor einen Namen machen, so Burkhardt.
Direct Line wollte eigentlich jeden Asphaltflicken mit seinem Logo (ein rotes Telefon auf Rädern) bekleben und "gesponsert von Direct Line" in den frischen Straßenbelag kratzen. "Aber das durften wir nicht", so Burkhardt. In den USA gibt es sowas. Die Firmenlogos der Sponsoren kleben dort auf den geflickten Schlaglöchern. Und auch in Thüringen gibt es Gemeinden, die Schlaglöcher für 50 Euro verkaufen und den Spendernamen einritzen.
Carsten Spallek nimmt das Geld gern, weil dem Bezirk "die finanziellen Mittel für umfassende Sanierungsmaßnahmen an den Straßen fehlen", so der Stadtrat. Das Geld aus dem Schlaglochprogramm des Senats reiche nicht. Da der Bezirk aus Haftungsgründen so oder so alle Schlaglöcher flicken muss, kann er die eingesparten Tausender für andere Maßnahmen nutzen. "Das Geld nehmen wir für größere Straßenprojekte oder die Sanierung von Baumscheiben", sagt Tiefbauamtschef Harald Büttner. Solange der Schlaglochsponsor "keine Werbebedingungen wie Schriftzüge oder Schilder stellt, kann man nichts dagegen sagen", kommentierte Daniela Augenstein, Sprecherin von Verkehrssenator Michael Müller (SPD), die ungewöhnliche Aktion.
Der Bezirk bekommt fast in allen Bereichen Spenden und Geschenke. Erst vor kurzem hat Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) einen Spendenaufruf für Blumen gestartet. Wegen der Haushaltsprobleme und hoher Schulden wird in diesem Jahr kein einziges Zierbeet bepflanzt. Auch für neue Bäume ist seit zwei Jahren kein Geld mehr da. Umsomehr freut sich Wolfgang Leder, Leiter des bezirklichen Baumrevieres, dass er im Frühjahr 198 Bäume aus der Stadtbaumkampagne des Senats bekommt. Seit 2011 sammelt die Senatsbaubverwaltung private Spenden für neue Straßenbäume. Mitte hat in den letzten fünf Jahren im Schnitt jährlich rund 45 Bäume von Privatpersonen oder Firmen geschenkt bekommen. Wer will, bekommt als Baumsponsor ein Schildchen mit Namen an seinen Baum. Auch die Bibliotheken machen "professionelles Fundraising", wie der Amtsleiter für Weiterbildung und Kultur, Jörg Arndt, sagt. Neben privaten Bücherspenden sind es vor allem die Verlage, die eine Menge spenden. So präsentieren sich jährlich in Mittes Bezirkszentralbibliothek Philipp-Schaeffer alle deutschen Hörbuchverlage und lassen nach der Ausstellung Hörbücher im Wert von 40 000 Euro im Bezirk. Auch etliche Buchverlage stellen bei der Buchmesse ihr neues Programm in Mittes Bibliotheken vor und nehmen danach Tausende Bücher nicht mehr mit. Die Bibliothekare sortieren die Spenden in die Bestände ein.
Für den Betrieb der Brunnen hat der Bezirk seit Jahren einen Werbevertrag mit der Plakatfirma Ströer. Die kümmert sich ab sofort auch um die Kinderplanschen im Bezirk.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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