Interview mit Nalan Arkat von der Türkischen Gemeinde

„Bürgerschaftliches Engagement ist doch wunderbar“, schwärmt Nalan Arkat. | Foto: Anett Baron
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Berlin. Das Projekt "Dostane" bedeutet in der deutschen Übersetzung soviel wie "freundschaftlich". Und so ist auch die Projektleiterin Nalan Arkat (53), die mit ganzer Kraft für die Verbesserung des Engagements von Menschen mit Migrationshintergrund arbeitet. Mit ihr sprach unsere Reporterin Anett Baron.

Frau Arkat, Sie sind Projektleiterin bei Dostane. Was sind Ihre Aufgaben?

Nalan Arkat: Dostane fasst die Freiwilligen-Angebote Freiwilliges Soziales Jahr und den Bundesfreiwilligendienst der Türkischen Gemeinde Deutschland zusammen. Ziel ist unter anderem der Aufbau von Trägerstrukturen für Freiwilligendienste und von interkulturellen Freiwilligenagenturen. Ich entwickle Strategien, mit denen das Engagement von Migrantinnen und Migranten verbessert werden kann.

Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund engagieren sich ehrenamtlich?

Nalan Arkat: Laut einer Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien engagieren sich nur zehn Prozent der befragten türkischstämmigen Migranten in einer Weise, die über die bloße Beteiligung in Vereinen hinausgeht. Bei den Deutschen ist es ein Drittel. Man rechnet aber mit einem Engagementpotenzial von 48 Prozent, das gilt es zu erschließen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Engagement, wie es in Deutschland verstanden wird, und dem Engagement von Migranten?

Nalan Arkat: Ja. Migranten engagieren sich eher in Form von Nachbarschaftshilfe mit Betonung auf Hilfe und das "gönüllü", was soviel wie "etwas aus dem Herzen heraus tun" bedeutet. Das Bewusstsein für bürgerschaftliches Engagement als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist nicht so stark ausgeprägt. Einen größeren Bereich nimmt die Kulturpflege ein. Der Sport bietet die besten Möglichkeiten eine interkulturelle Mischung hinzubekommen - hier werden auch junge Menschen als Zielgruppe sehr gut erreicht.

Welche Hürden müssen genommen werden, damit das Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund erleichtert wird?

Nalan Arkat: Das Verhältnis zwischen Deutschen und Migranten ist häufig durch Vorurteile und Ängste geprägt. Dazu kommen Sprachbarrieren. Wenn sich Migranten zum Beispiel in einem Heimatverein engagieren, wird schnell von der Parallelgesellschaft gesprochen. Für mich ist das aber der erste Schritt ins bürgerschaftliche Engagement und in Richtung Mehrheitsgesellschaft - das ist besser als nichts.

Wie können wir Deutschen die so oft genannte "Willkommenskultur" auch im Hinblick auf das bürgerschaftliche Engagement verbessern?

Nalan Arkat: Deutsche und Migranten sollten lernen, sich gegenseitig mit mehr Respekt zu behandeln. Wir haben mehrfach erlebt, dass große Wohlfahrtsverbände Projekte für Migranten bewilligt bekommen, ohne dass vorher mit uns oder einer Migrantenorganisation gesprochen wurde. Es wurde weder der Bedarf noch die Sinnhaftigkeit des Vorhabens mit uns diskutiert. Das ist schade, weil wir durch gemeinsames Überlegen passgenauer arbeiten könnten.

Wie kann Migrantenorganisationen geholfen werden?

Nalan Arkat: Fast alle Projekte sind nur befristet finanziert. Der Anteil der ehrenamtlich tätigen Unterstützer ist sehr hoch und bedeutet einen hohen Koordinationsaufwand. Es können langfristig keine festen Strukturen aufgebaut und das Engagement verstetigt werden. Wir bräuchten eine Regelförderung, die grundsätzliche Strukturen wie ein Büro und eine Bürokraft gewährleistet. Ohne Hauptamt ist Ehrenamt auf Dauer nicht möglich!

Laut Nationalem Integrationsplan der Bundesregierung hat bürgerschaftliches Engagement eine besondere Katalysatorfunktion für die Integration von Migranten. Gibt es Probleme bei der Umsetzung?

Nalan Arkat: Häufig ist nicht Desinteresse am Engagement, sondern Unwissenheit das Problem. Viele Türken wissen zum Beispiel nicht, dass es die Freiwillige Feuerwehr gibt - in der Türkei ist das Sache des Staates. Mein Appell geht auch ganz klar Richtung Medien, nicht so häufig Negativbeispiele wie Ehrenmorde und Jugendkriminalität darzustellen. Positive Beispiele werden zu selten in den Vordergrund gestellt.

Politik, Verwaltung und Verbände sind im Nationalen Integrationsplan Selbstverpflichtungen zur Verbesserung des Engagements eingegangen. Es gibt aber keine alle umfassende Evaluierung.

Nalan Arkat: Papier ist geduldig. Maßnahmenkataloge, 10-Punkte-Pläne, Richtlinien - das hört sich alles sehr statisch an. Natürlich muss man sich an Formalitäten halten, trotzdem sollte man offen sein und flexibel auf gute Ideen reagieren. Das Wichtigste ist und bleibt die persönliche Ansprache und ein faires Miteinander - dazu brauche ich keine Selbstverpflichtung.

Informationen zum Projekt "Dostane" gibt es unter www.interkulturell-aktiv.de.
Anett Baron / AB
Autor:

Anett Baron aus Mitte

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