Investor macht Arkonahöfe zu Luxuswohnhaus
Sie kommen aus ganz Berlin und sogar Potsdam oder Bernau hierher; Jugendliche, die einfach ihr Ding machen wollen: Punks, Anarchos, Grufties - "bunte Leute", wie Jörg "Jolly" Zickler, 48, seine Gäste nennt. Der Sozialarbeiter kümmert sich seit über 20 Jahren um die jungen Leute, die in der KvU abhängen, kickern, ein Bierchen trinken und vor allem Punkmusik machen können. Seit 1992 haben die KvU-ler in die Kremmener Straße 9 ihre Heimat. Der Klub ist ein Überbleibsel der DDR-Oppositionsbewegung "Kirche von Unten", in der sich 1987 Bürgerrechtler und Umweltaktivisten zusammengeschlossen hatten. Vor allem Punks hatten sich unter dem Dach der Kirche ihre Freiräume erkämpft, weil sie keine DDR-Musterjugendlichen waren.
Heute hat der KvU-Club mit Kirche und Religion nichts zu tun. Im Keller gibt es Probenräume für Bands. Am Wochenende kommen bis zu 200 Leute zu den Punkkonzerten. Der Senat finanziert die offene Jugendarbeit, der Trägerverein Sozialdiakonische Kinder- und Jugendarbeit im Verbund kann dadurch die zwei Sozialarbeiter und die Miete bezahlen. Doch seit dem 1. Januar ist Schluss. Die KvU-ler sind gekündigt, der Eigentümer droht mit Zwangsräumung. "Wir versuchen seit über einem Jahr mit dem Eigentümer zu reden", sagt Elias, 26, Sprecher der KvU-Vollversammlung. Doch die Firma Immowert aus Wien hat kein Interesse an Gesprächen. Sie will die historischen Fabriketagen zu Luxuswohnungen umbauen. Ein linker Jugendklub und Punkkonzerte passen da nicht.
Die meisten Gewerbemieter sind schon raus aus den Höfen. Die Geschichte der Fabrik wird wegsaniert von Immobilienleuten, für die Häuser lediglich maximal verwertbare Renditeobjekte sind. Schickes Loftwohnen in Luxusetagen, das bringt Kohle.
"Die einzige Option", so Elias, die der Jugendklub noch hat, ist das seit Jahren leerstehende Kulturhaus Peter Edel in Weißensee. Doch die Pankower BVV hat noch nicht entschieden, ob die landeseigene Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) das Haus bekommt. Vorher kann die KvU nicht in Verhandlung treten mit der GSE. Auch der Lärmschutz im "Peter Edel" wäre ein Problem. "KvU ohne Konzerte, das geht aber nicht", sagt Elias. Die Jugendlichen fordern deshalb nach wie vor den Erhalt der KvU am jetzigen Standort.
Wohlwollende Bekundungen und allgemeine BVV-Beschlüsse zum Erhalt des Klubs gibt es. Einzig mit dem Baurecht könnte man die Eigentumswohnungspläne noch durchkreuzen. Die Grünen und die Linken wollen einen B-Plan aufstellen, der die Arkonahöfe als Gewerbestandort festschreibt. Luxuswohnungen wären dann nicht mehr möglich, der Erhalt des 300 Quadratmeter großen Jugendklubs denkbar. Über den Antrag wird erst Ende Januar im Bauausschuss abgestimmt. "Viel zu spät, das wird die KvU nicht mehr retten", sagt Bauausschussvorsitzender Frank Bertermann (Grüne).
Weitere Informationen unter kvu.blogsport.de.
Der viergeschossige Gewerbekomplex Wolliner Straße 18/19 und Kremmener Straße 9-11 wurde um die Jahrhundertwende errichtet und war bis zur Enteignung durch die Nazis bis 1938 im jüdischen Besitz. Die "arischen" Nachnutzer" flogen nach dem Zweiten Weltkrieg raus. In der DDR gab es hier volkseigene Zulieferbetriebe zum Bespiel für Pentacon in Dresden oder die Uhrenfirma in Ruhla. In den oberen Etagen arbeiteten hunderte Näherinnen des Berliner Modezentrums. Das nach dem Mauerbau geschlossene Delta-Filmtheater nutzte die DEFA zur internen Vorführung eingekaufter ausländischer Filme. Das Fernsehbalett nutzte den Saal in den 60-Jahren auch als Trainingsstätte. In der Fabrik gibt es auch alteingesessene Handwerksbetriebe, die auch in der DDR privat waren wie zum Beispiel die Elektromotoren-Reparaturwerkstatt Bernd Kerber. Nach der Wende wurden die Höfe von der WBM an die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) übergeben, um ein "Zentrum für Soziokultur und Gewerbe" zu errichten. Der KvU-Treff ist das einzige Sozialprojekt, das es in den Arkonahöfen noch gibt. Jetziger Eigentümer ist die auf die Entwicklung von Luxuswohnungen und Penthäuser spezialisierte Immobiliengruppe Immowert aus Wien.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare