Mit "Your turn" kommen Studienabbrecher schnell in den Beruf
Laut dem jüngsten Berufsbildungsbericht bricht rund jeder Vierte (28 Prozent) sein Bachelor-Studium ab, an Maschinenbau-Fakultäten ist es zum Teil sogar jeder Zweite. Gründe gibt es viele. Nach einer Befragung des HIS-Instituts für Hochschulforschung sind das häufig die hohen Anforderungen des Studiums, denen sich die Studienabbrecher nicht gewachsen fühlen. Auch Finanzierungsprobleme spielen oft eine Rolle. Mancher hat einfach keine Motivation mehr, zum Beispiel, wenn sich nach einiger Zeit herausstellt, dass die Studieninhalte doch nicht ganz den eigenen Interessen entsprechen.So ging es Alexander Büschel. Der 22-Jährige studierte bis Ende vergangenen Jahres vier Semester lang Bauwirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. "Die Inhalte haben mir nicht gefallen. Das war mir zu mathematisch, zu mechanisch", sagt er. Was ihm aber Spaß gemacht habe, seien die IT-bezogenen Vorlesungen gewesen. Noch einmal ein Studium - etwa der Informatik - beginnen? Das kam für Alexander Büschel aber nicht in Frage. "Ich wollte etwas Praktisches machen und Geld verdienen", berichtet der Wahl-Berliner. Bei der Recherche nach Alternativen stieß er im Netz auf "Your turn".
Aufgrund der hohen Abbrecherquote bei Studierenden hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin im Februar dieses Jahres das Projekt gestartet. Dabei werden Studienabbrecher zu Fachinformatikern für Systemintegration sowie zu Immobilienkaufleuten ausgebildet. Seit September wurde das Projekt um einen Ausbildungsberuf erweitert. Nun können Studienabbrecher auch eine Lehre zum Kaufmann beziehungsweise zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel absolvieren - und das in verkürzter Zeit.
Die duale Ausbildung findet in Unternehmen und in der Berufsschule statt und dauert nur 18 anstatt der regulären 36 Monate. Mit der Verkürzung erkennt die IHK bereits im Studium erworbenes Wissen und Fähigkeiten an. Studienabbrecher haben so die Chance, innerhalb kürzester Zeit einen Beruf zu erlernen. Arbeitgeber bekommen in aller Regel hochmotivierte Azubis, die wegen ihres Fehlgriffs schon genauer wissen, was sie wollen.
Alexander Büschel wollte eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration machen. Er setzte sich mit der IHK Berlin in Verbindung und bekam schließlich eine Liste mit allen potenziellen Ausbildern, darunter war die Competence Call Center AG (CCC), die in Berlin zwei Niederlassungen hat.
In der CCC-Niederlassung in der Stralauer Allee 2 in Friedrichshain teilt sich Alexander Büschel seit Januar ein Büro mit dem dortigen - mit ihm jetzt sechsköpfigen - IT-Team. Nach vierwöchigem Praktikum war er Azubi von CCC. In den ersten Wochen lief er bei seinem Betreuer Philip Welz mit, jetzt tauscht Alexander Tastaturen aus, setzt Passwörter zurück, richtet Programme wie Outlook ein und wird von seinen Callcenter-Kollegen gerufen, wenn irgendetwas am Rechner nicht funktioniert. Außerdem betreut er bereits ein großes Projekt eigenverantwortlich. Er stellt derzeit das Betriebssystem auf eine neue Version um. Im ersten Ausbildungsjahr bekommt er dafür 670 Euro im Monat, danach 700 Euro. Einstiegsgehälter für Fachinformatiker Systemintegration liegen laut des Internetportals Absolventa bei monatlich ungefähr 2000 Euro brutto.
Die Eigeninitiative, die Alexander zu "Your turn" brachte, verschaffte ihm auch seinen Ausbildungsplatz. "Davon braucht man in unserem Job viel", sagt Ausbilder Welz. Alexander habe bei seinem Wechsel vom Studi zum Azubi erwachsen und schnell gehandelt und sei im Vorstellungsgespräch auch so rüberkommen. So konnte er von sich überzeugen und sechs andere Bewerber hinter sich lassen. Seine Übernahme - schon zum August kommenden Jahres - ist laut Philip Welz möglich und auch gewollt.
An "Your turn" teilnehmen können alle Studienabbrecher, die mindestens zwei Semester ein branchenbezogenes Fach studiert haben und Studienleistungen von mindestens 20 Creditpoints nachweisen können, sowie alle Unternehmen, die in den entsprechenden Berufen ausbildungsberechtigt sind.
Autor:Sandra Pohl aus Reinickendorf |
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