Mittelalterliche Rathausmauern verschoben
Dass 700 Jahre später jemand die Rathausmauern einmal an den Haken eines Megakrans nimmt, 50 Zentimeter anhebt und zwei Meter zur Seite setzt, konnten die Baumeister im Mittelalter nicht ahnen. Auch für die Bauexperten von heute war der Mauerflug alles andere als Routine. Damit der Feldsteinsockel des um 1280 errichteten Rathaussaals nicht auseinander bricht, wurde unter das historische Fundament eine Haltekonstruktion aus Stahl und Beton gebaut, wie Jörg Frobel von der auf Bauwerkssicherung spezialisierten Firma Bennert sagte.
20 Meter der Nordwand des 2010 bei Ausgrabungen wiedergefundenen Mittelalterrathauses mussten zur Seite gerückt werden, weil an der Stelle Schlitzwände für den neuen U-Bahnhof Berliner Rathaus in den Boden gerammt werden müssen. Wenn der Bahnhof fertig ist, kommt der Feldsteinsockel mit draufstehender Backsteinwand wieder an seine Originalstelle zurück.
Michael Hofmann vom Landesdenkmalamt hat als Grabungsleiter die bestens erhaltenen Rathausreste freigelegt. 80 Prozent des alten Rathauses konnten gesichert werden und sind später zu besichtigen. "Ich bin begeistert, dass wir ein so wichtiges Stück Geschichte retten konnten" sagt Archäologe Hofmann.
Der Keller des alten Rathauses war 39 Meter lang und 17 Meter breit. Die Süd- und Seitenwände liegen derzeit unter einer Sandschicht, damit sie bei den Bauarbeiten nicht beschädigt werden. Auch die jetzt verschobene Nordwand wird in den kommenden drei Jahren zum Schutz mit Folien eingehüllt und unter Sand begraben. In der alten Rathaushalle hatten die Archäologen hunderte Münzen, Nadeln oder Gefäße gefunden. Ein Teil davon wird wie auch ein alter Herd und Brunnen aus der Zeit, als die Halle Ratskeller war, später in einem archäologischen Fenster zu sehen sein. Über den Eingang am Roten Rathaus an der Spandauer Straße wird man drei Meter tief über einen Durchbruch in den originalen Keller des Mittelalterrathauses mit seinen 27 erhaltenen Pfeilern kommen. In der Halle werden die Funde ausgestellt.
Direkt vom U-Bahnhof kann man dann auch einen Blick in den 730 Jahre alten Rathauskeller werfen. Auf der Zwischenebene der neuen Station ist eine Art Erker geplant, von dem man durch eine Glaswand in die Rathaushalle schauen kann.
Die BVG hatte nach dem spektakulären Rathausfund die Pläne für den U-Bahnhof Berliner Rathaus geändert, damit ein archäologisches Fenster gebaut werden kann. Bereits 1861 wurde auf Veranlassung des preußischen Denkmalpflegers Ferdinand von Quast der Bau des heutigen Roten Rathauses so platziert, dass er das mittelalterliche Rathaus nicht überbaut. Wenn die U5 ab 2019 vom Alexanderplatz bis zum Brandenburger Tor verlängert ist, werden die Fahrgäste ganz dicht an zwei Berliner Rathäusern vorbeirattern.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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