Moritz Gruppe saniert verfallenen Vergnügungstempel
Dirk Moritz steht im einstigen Theatersaal im zweiten Obergeschoss und wirft mit einem Beamer Simulationen an die morbiden Wände, die zeigen, wie es hier bald aussehen wird. Seine Augen strahlen, wenn er über die Geschichte und Zukunft des Hauses spricht. Der Projektentwickler hat 2008 durch Zufall das marode Hinterhaus neben der Schwimmhalle entdeckt. In den Etagen lagen 30 Tonnen Müll und Schutt, überall flatterten Tauben umher und der einstige Theatersaal war unter der abgestürzten Kuppelgewölbedecke begraben. Damals wusste Moritz nicht, was für einen Schatz er da gerade gefunden hatte. Für ihn war die Ruine aber magisch, er wollte sie haben und begann zu recherchieren.
Der Historiker Lutz Mauersberger, Chef des privaten Berlin-Mitte-Archivs, konnte Licht in das geheimnisvolle Gebäude bringen. Das 1905 von Baumeister Oscar Garbe erbaute dreistöckige Hinterhaus mit Deckengewölbe und Bühne wurde als Varieté und Wirtshaus unter dem Namen "Fritz Schmidts Restaurant und Festsäle" eröffnet. Ab 1919 erlebte das Gebäude unter dem Namen "Kolibri-Festsäle und Kabarett" seine Glanzzeit. Hier steppte in den Goldenen Zwanziger Jahren der Bär.
1934 verliert sich die Spur, das Haus fällt in einen Dornröschenschlaf. Zu DDR-Zeiten nutzt eine private Schlosserei die unteren Räume als Fabrik. Der Saal verfällt, Fenster werden zugemauert, Zwischendecken eingezogen. Auch die tschechischen Eigentümer, die das Haus nach der Wende zurückbekommen, erfahren erst durch Moritz von der bewegten Geschichte.
Der Immobilien-Unternehmer hat das Haus gekauft und beginnt im Oktober mit der Sanierung. 2015 soll das Projekt Secret Garden, wie Moritz seinen Schatz getauft hat, fertig sein. Die Baugenehmigung für das zwei Millionen Euro teure Projekt liegt vor. Dirk Moritz will den morbiden Charme, "die Seele des Hauses" bewahren. Er spricht von Liebe, wenn er über das Gebäude spricht. "Kein langweiliges Haus" soll es werden. Andere Investoren würden die 300 Quadratmeter großen Etagen teilen und als Eigentumswohnungen verkaufen. Moritz lässt fast alles so wie es ist: die Wände aus Mauerwerk, die Pfeiler, die hohen Decken. Vor den wieder geöffneten Bogenfenstern kommt eine Terrasse, in den ehemaligen Lichtschacht wird ein Fahrstuhl gebaut. Die großen Loftetagen will Moritz an Galeristen oder als Kreativbüros vermieten. Er hat bereits Anfragen von Plattenlabels oder Tonstudios, die im Secret Garden arbeiten wollen. Für den sieben Meter hohen Theatersaal mit der exklusiven Empore, dem restaurierten, zwölf Quadratmeter großen Original-Ölgemälde und der imposanten Fensterfront interessiert sich eine Firma, die hier ihre Repräsentanz eröffnen will, sagt Moritz. Er weiß noch nicht, wer am besten in sein Haus passt. Die Mieter müssen ihm gefallen, denn sie werden Moritz Nachbarn. Er selbst zieht in das 300 Quadratmeter große Dachgeschoss, das er neu auf dem Varieté-Geschoss aufbaut.
Das einstige Varieté-Theater in der Gartenstraße 6 kann man letztmalig vor dem Umbau bis zum 30. September besichtigen. In den Räumen stellen 19 internationale Künstler täglich von 15 bis 19 Uhr ihre Werke aus.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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