Neue Betreiber wollen Ballhaus behutsam modernisieren
DJ Willie hat Silvester zum letzten Mal die Tanzfläche mit Schlagern und Diskomucke beschallt. Am Neujahrsmorgen war dann Schluss mit Party. Das Ballhaus in der Chausseestraße ist Geschichte, zumindest in seiner jetzigen Form.
Betreiber Herbert Gottschlich gibt nach 30 Jahren auf. Ein halbes Leben hat der 66-jährige Pächter mit seiner Frau am Tresen gestanden und miterlebt, wie sich auf dem Tanzparkett Tausende Pärchen gefunden oder wieder verloren haben. Das Ballhaus Berlin war schon immer ein Ort der großen Liebe, ob zu DDR-Zeiten, als es am Einlass lange Schlangen gab oder zuletzt, als es wirtschaftlich immer weiter bergab ging, weil zu wenig Gäste kamen.
Die vielen Datingportale im Internet haben das reale Flirten verdrängt, nennt Gottschlich einen Grund. Die Singles suchen sich ihren Partner heute im Netz. Die 44 Tischtelefone, mit denen die Herren früher die auserwählte Dame zum Tanz baten, sind heute für die oft betrunkenen Gäste nur noch ein lustiges Gimmik.
Früher gab es im Ballhaus auch eine Speisekarte und Livemusik. "Heute gehen die Leute erst zum Italiener und kommen spät", sagt Gottschlich. Weil sich das alles nicht mehr gerechnet hat, gibt es seit etwa 10 Jahren nur noch DJ-Musik und Cocktails an der großen Spiegelbar.
Christof Blaesius glaubt an die Zukunft des Ballhauses. Schon vor Jahren hat er sich in den zweistöckigen Saal mit der nostalgischen Wendeltreppe zur Empore verliebt, wie er sagt. Gemeinsam mit seinem Partner Karl-Heinz Heymann, Betreiber der Veranstaltungskneipe Cafe Burger, will Blaesius den Tanzpalast mit Stuckmarmor an den Wänden zum neuen Highlight im Nachtleben machen.
Der Veranstaltungsmanager hat beste Kontakte und setzt vor allem auf Livemusik. Partys und Disko wird es im neuen Ballhaus auch geben, "aber alles zeitgemäßer und mit einem anspruchsvollen Programm", so Blaesius. Er hat zum Beispiel den Konzertsommer Berlin - eine hochkarätige Musikreihe im Teehaus im Englischen Garten - erfolgreich wiederbelebt.
Einen sechsstelligen Betrag investieren die neuen Macher ins ziemlich heruntergekommene Ballhaus. Fußboden und Bestuhlung werden erneuert, modernste Bühnen- und Lichttechnik eingebaut. Die großen Spiegel und die Kronleuchter bleiben. "Wir wollen soviel wie möglich vom Stil erhalten", sagt Blaesius. Alles werde behutsam renoviert. Zukünftig soll es auch Varieté-Nummern geben, mit Artikstikeinlagen beim Abendmenü. Denn auch die Küche wird reaktiviert. Gut bürgerliches wie Rouladen werde auf der Speisekarte stehen. Das neue Ballhaus soll, so Blaesius, kein Schickimickitempel werden, sondern ein Ort für jedermann mit normalen Preisen.
Das Haus wird ab März täglich geöffnet sein und nicht wie in den letzten Jahren nur am Wochenende. Die Tischtelefone aus den 1930-er Jahren bleiben ebenfalls. "Wir haben hier schließlich die einzige abhörsichere Telefonanlage", sagt Blaesius in Anspielung auf den direkten Nachbarn BND. Tausende Agenten ziehen demnächst in die neue Geheimdienstzentrale. Ganz sicher werden sich auch einige im Ballhaus Berlin amüsieren wollen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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