Nina Apin schrieb ein Buch über engagierte Menschen
Frau Apin, Sie haben Menschen in ganz Deutschland zu ihrem Engagement befragt. Wie kamen Sie auf die Idee?
Nina Apin: Für eine Reportage habe ich die "Neuköllner Talente" begleitet. Das ist ein Projekt der Bürgerstiftung Neukölln, bei dem Paten ihren Patenkindern durch gemeinsame Unternehmungen neue Welten eröffnen. Bis dahin schien mir das Thema etwas altbacken. Doch hier wurde mir bewusst, wie viel es auch mit meiner Lebenswirklichkeit zu tun hat. Das hat mich dann motiviert.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Befragten ausgesucht? Wie haben Sie den Bürgerbusfahrer im Chiemgau gefunden?
Nina Apin: Zunächst fand ich die unterschiedlichen Formen des Engagements sehr spannend. Damit verband sich die Frage nach ihrer Funktion. Hinter dem Engagement steckt ja häufig auch der Wunsch nach gesellschaftspolitischer Veränderung. So wurden zum Beispiel durch die Hospizbewegung Verbesserungen im Pflegesektor erreicht. Von dem Bürgerbusfahrer hatte mir eine Kollegin erzählt, die im Chiemgau Urlaub machte. Ihn zu begleiten hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Wessen Engagement hat Sie besonders beeindruckt?
Nina Apin: Da fällt mir sofort der ehrenamtlich tätige Bürgermeister aus Mecklenburg-Vorpommern ein. Holger Klukas ist Hartz-IV-Empfänger. Ein Teil seiner Aufwandsentschädigung wird als Einkommen angerechnet. Durch seine knappen Finanzen kann er nicht an Schulungen teilnehmen. Auch wird bei Veranstaltungen wie Basaren erwartet, dass er spendet. Das kann er sich nicht leisten. Er ist eine stille Stütze der Demokratie und arbeitet für die Gemeinde - dennoch wird er ausgebremst.
Der Titel Ihres Buches lautet "Das Ende der Ego-Gesellschaft". Sind wir alle Egoisten?
Nina Apin: Nein, im Gegenteil. In den Medien wurde eine Zeit lang ein erschreckender Gesellschaftspessimismus propagiert. Hier driften die öffentliche Diskussion und das eigene Erleben weit auseinander. Die Zahl der Engagierten steigt stetig. Allerdings engagieren sich viele lieber für Projekte als dauerhaft für die gleiche Sache. Darunter leiden zum Beispiel die Sportvereine.
Sie erweitern die zwei traditionellen "Engagementtypen" um die dritte Gruppe der "Aktivbürger". Sind nicht alle Engagierten Aktivbürger?
Nina Apin: Man unterscheidet zwischen dem politischen und sozialen Ehrenamt. Das politische Ehrenamt geht auf die preußische Städtereform des 19. Jahrhunderts zurück. Mitglieder des Bürgertum übernahmen Pflichten wie bei der Feuerwehr. Das soziale Ehrenamt findet sich im kirchlichen und karitativen Bereich. Der Aktivbürger wird häufig erst als Protestler wahrgenommen, wenn er sich zum Beispiel gegen Flugrouten engagiert. So ist nicht jeder Demonstrant gleich ein bürgerschaftlich Engagierter. Oder doch? Muss sich sein Tun erst in Strukturen wie denen eines Vereines verfestigen? Die Grenze ist nicht einfach zu ziehen.
In Ihrem Buch weisen Sie auf die zunehmende Professionalisierung der bürgerschaftlichen Engagements hin. Was meinen Sie damit?
Nina Apin: Von der Bürgerstiftung bis zur Elterninitiative: Fast alle achten auf professionelles Auftreten. Sie haben eine Homepage, schreiben Pressemitteilungen, füllen Anträge aus. Auch die großen Wohlfahrtsverbände stehen heute in einem harten Wettbewerb. Die Konkurrenz im Kampf um die Geldtöpfe ist hart.
Sie gehen sehr mit der Politik ins Gericht. Was kritisieren Sie besonders?
Nina Apin: Mir passt die Ideologisierung nicht. Entweder wird in einem Heldenton über Engagierte gesprochen oder es wird eine Sozialstaatsdiskussion geführt, weil Engagierte zu Lückenbüßer für staatliche Aufgaben werden. Mir kommt der partizipative Aspekt zu kurz, das Aktive, auch Eigensinnige. Im letzten Engagementbericht der Bundesregierung war von Engagement als "Bürgerpflicht" die Rede. Das geht gar nicht.
Wie sollte man Engagierte noch besser unterstützen?
Nina Apin: Die Engagierten benötigen eine bessere politische Rückendeckung und nicht noch mehr Engagementpreise. Engagement muss erleichtert, nicht auch noch wie im Fall des Bürgermeisters bestraft werden. Auch darf bürgerschaftliches Engagement nicht als arbeitsmarktpolitisches Instrument missbraucht werden.
Autor:Anett Baron aus Mitte |
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