Ökofrost setzt auf Gemeinwohl und neue Wirtschaftsethik

Die Mitarbeiter von Ökofrost trafen sich im Juni 2012 zu einem Workshop in Grünheide, um an ihrer Unternehmensphilosophie zu arbeiten. | Foto: privat
  • Die Mitarbeiter von Ökofrost trafen sich im Juni 2012 zu einem Workshop in Grünheide, um an ihrer Unternehmensphilosophie zu arbeiten.
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Wilmersdorf. "Es hat viele Jahre gebraucht, um diese Firma aufzubauen", sagt Florian Gerull, Gründer und Geschäftsführer der Ökofrost GmbH aus Wilmersdorf. "Und als wir vor sechs Jahren dann zum ersten Mal Gewinn erzielt hatten, kamen mir sogleich die Fragen: Und jetzt? Was ist nun der Sinn des Unternehmens?"

Und während die Antwort bei vielen Unternehmen vermutlich gelautet hätte "Noch mehr Gewinn", kam es bei Ökofrost, einem 1996 gegründeten Spezialgroßhändler für Bio-Tiefkühlkost, zu einer anderen Entwicklung: Im Dialog mit den Mitarbeitern entstand die Idee, gemeinsam ein Leitbild und eine Vision sowie ein Gehalts- und Arbeitszeitmodell zu erstellen. "Daraus entwickelte sich bei uns zum ersten Mal das gute Gefühl: Das haben wir selbst gemacht."

Und genau zu dieser Zeit wurde Gerull auf das Buch "Die Gemeinwohl-Ökonomie" von Christian Felber aufmerksam. Das war 2010 erschienen und brach das Dogma auf, dass der ausschließlich gewinnorientierte Kapitalismus alternativlos sei. Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein Modell, bei dem der Gewinn eines Unternehmens nicht mehr Zweck, sondern Voraussetzung ist, um andere Ziel zu erreichen. Im Mittelpunkt des Wirtschaftens stehen Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und Transparenz sowie die Frage, wie diese Werte auf Mitarbeiter, Geldgeber, Lieferanten, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld wirken.

Und genau dieses Wirken nach innen und außen soll in einer sogenannten Gemeinwohlbilanz bewertet werden. Diese Bilanz belegt dann den wirklichen Erfolg eines Unternehmens. Bis zum heutigen Tag haben sich weltweit knapp 1000 Unternehmen bilanzieren lassen.

"Einige Thesen in dem Buch sind sehr radikal und haben auch mir Bauchschmerzen bereitet. Aber die Idee einer Bilanz war ein Denkanstoß für mich, weil sie große Überschneidungen mit unserem Leitbild hat", sagt Gerull. So ließ sich das Unternehmen vom Juli 2011 bis Juni 2012 zum ersten Mal bilanzieren: Besonders positive Werte erreichte Ökofrost in der ökologischen Nachhaltigkeit, der gerechten Einkommensverteilung sowie bei Mitbestimmung und Transparenz.

"Wenn die Arbeit nur ein notwendiger Gelderwerb ist, verlagert ein Mitarbeiter seine Energien woanders hin", sagt Gerull. Deshalb seien die Selbstverwirklichung des Mitarbeiters im Unternehmen, die Übereinstimmung der Werte und der Austausch darüber von zentraler Bedeutung für ein erfolgreiches Unternehmen und stehen in keinem Widerspruch zu seiner Wirtschaftlichkeit. Das zeigt auch der aktuelle Umsatz von Ökofrost, der 2013 bei 10,4 Millionen Euro lag.

"Viel wichtiger als die maximale Punktzahl bei der Bilanz ist es, mit ihr einen Prozess angeregt zu haben, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und Antworten zu finden." Gerull ist übrigens der festen Überzeugung, dass diese neue Wirtschaftsethik mit ihrer ganzen Vielfalt niemanden kaltlässt. "Als ich mit meinem Banker über dieses Thema gesprochen habe, ist auch er aufgetaut. Und plötzlich saß mir ein Mensch gegenüber, den das wirklich interessiert hat." Diese neue Ethik sei auch der einzige Weg, die Probleme in der Welt zu lösen, die durch das Denken entstanden sind, immer nur das Maximum an Profit herauszuholen. "Ich möchte den Kapitalismus nicht abschaffen, wir möchten und müssen ihn nur weiterentwickeln."

Unterstützer dieser Idee sind sich einig, dass jedes Unternehmen, egal welcher Größe und Branche, sich dieser Initiative anschließen, eigene Werte definieren und nach ihnen handeln kann. "Langfristig würde jedes Unternehmen davon profitieren, weil die Mitarbeiter Spaß an ihrer Arbeit hätten, sich einbringen, weniger krank sind. Das Ansehen des Unternehmens steigt. Und die Kunden gehen gern dort einkaufen oder nehmen diese Dienstleistung in Anspruch", ist Florian Gerull überzeugt. Für den Ökofrost-Geschäftsführer ist klar: "Ich führe lieber ein Unternehmen, in dem alle glücklich sind und das weniger Gewinn macht, als eine Firma zu leiten, die auf Kosten der Mitarbeiter immer mehr Gewinn machen möchte."

Weitere Infos zu Ökofrost und zur GWÖ gibt es im Internet unter www.ökofrost.de und unter www.ecogood.org.
Michael Nittel / min
Autor:

Michael Nittel aus Reinickendorf

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