Tunnelbohrer frisst sich ab Juni durch Mittes Untergrund
Noch schlummert der weiße Riese im 20 Meter tiefen Startschacht an der Rathausstraße. Die Spezialisten der Firma Bilfinger brauchen noch ein paar Wochen, bis der Riesenmaulwurf fertig montiert ist. Kraftvolle Motoren, Hydraulikpumpen, Rohre und Stahlträger sind schon zusammengebaut. Am 6. Mai wurde das Herzstück der 75 Meter langen Anlage an die Front gesetzt: Das Schneidrad mit seinen Schälmesern und dem Steinbrecher dahinter, 6,7 Meter im Durchmesser. Die Montage des Mauls, das sich rotierend durch Mittes Untergrund fressen wird, war Anlass für die Taufe des Tunnelbohrers S-788 der schwäbischen Firma Herrenknecht.
BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta knallte eine Sektflasche an das Schneidrad. Fortan hört der Riesenbohrer auf den Namen Bärlinde - eine Wortschöpfung aus dem Berliner Wappentier und dem Boulevard Unter den Linden. BVG-Kunde Eckhard Noack hat sich den Namen ausgedacht und damit einen von der BVG durchgeführten Namenswettbewerb gewonnen. Noch ein paar Testläufe, und das 700 Tonnen schwere Stahlmonster beginnt sich ab dem 21. Juni nach der Tunneltaufe mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu schütteln.
Mit über 2000 PS gehts volle Fahrt voraus bis zum Brandenburger Tor, unter der Spree und Unter den Linden hindurch. Acht Meter will Bärlinde schaffen - pro Tag. Während der Bohrer die Röhre durch die Erde fräst, werden automatisch die sogenannten Tübbinge verlegt. Das sind die Tunnelbauteile, die Verlegerobotor millimetergenau zusammensetzen.
Der Abraum von vorn wird als Schlammgemisch über fette Rohre zurück zum Marx-Engels-Forum gepumpt, entwässert und auf Lastenkähne im Bauhafen verladen. Insgesamt 235 000 Kubikmeter Buddeldreck holt der Riesenmaulwurf raus. Gäbe es die Möglichkeit des Abtransports per Schiff nicht, müssten mehrere tausend LKW beladen werden.
Bärlinde quält sich zwei Mal die 1,6 Kilometer lange Strecke durch Mittes Erdreich. Wenn das Bohrmonster am Brandenburger Tor angekommen ist, wird es wieder zerlegt und zurück zum Startschacht im Marx-Engels-Forum gebracht. Von dort beginnt dann erneut die Fahrt für die zweite Tunnelröhre. Sieben Mann Besatzung hat die Maschine. Für die Männer gibt es einen Container auf der fahrenden Konstruktion. Sollte Bärlinde havarieren und in Flammen aufgehen, kann die Mannschaft in diesen Rettungsraum flüchten.
Bis Herbst 2014 sollen die U-Bahntunnel im Rohbau fertig sein. Ab 2019 fährt die U5 vom Osten umsteigefrei ins Regierungsviertel und zum Hauptbahnhof.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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