WBM beginnt mit der Sanierung des Hugenottenviertels
Im Hugenottenviertel scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Häuser im grünen Hof sehen aus, als ob seit ihrem Bau 1924 niemand mehr etwas daran gemacht hat. Die Fassaden sind bis heute sichtbar stumme Zeugen der schweren Häuserkämpfe im Zweiten Weltkrieg. Auf den Dächern sieht man etliche Schornsteine und die 37 Drei-Zimmer-Wohnungen in den zwei Gebäuden Friedrichstraße 129 a-e und h haben Ofen- und Gasetagenheizungen oder Gas-Außenwandheizer. Jetzt lässt die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) die "pittoreske Skurillität", wie sie das geschichtsträchtige Hugenottenviertel in ihrer Sanierungsbroschüre nennt, vom Keller bis zum Dach denkmalgerecht sanieren und die Außenanlagen herrichten.
Es entstehen neun neue Dachgeschosswohnungen, die etwa zehn Euro kalt pro Quadratmeter kosten sollen. Die anderen Wohnungen steigen von durchschnittlich vier Euro pro Quadratmeter auf 5,75 Euro kalt. Durch modernste Heiztechnik, Dämmung und Holzisolierglasfenster reduzieren sich gleichzeitig die Kosten bei Heizung und Warmwasser um über 40 Prozent.
Etliche Mieter - die meisten wohnen schon seit Jahrzehnten hier - haben sich gegen die Modernisierung gewehrt. Durch Klagen wurde der Sanierungsstart drei Mal verschoben. Mediatoren haben im Auftrag des Gerichts vermittelt. Die WBM habe mit allen Mietern Einzelgespräche geführt, erklärt deren Sprecherin Steffi Pianka. Es gab etliche außergerichtliche Vergleiche und Vereinbarungen zur Miethöhe oder Entschädigung von privat finanzierten Einbauten in den rund 70 Quadratmeter großen Wohnungen. Wer will, kann während der stressigen Arbeiten auch in eine Gästewohnung ziehen. Wenige Mieter sind ganz ausgezogen. Diese Wohnungen wird die WBM nach der Komplettsanierung für 6,95 Euro anbieten.
Die Sanierung soll Ende dieses Jahres fertig sein. Die ursprünglich mit 3,4 Millionen Euro kalkulierten Kosten haben sich durch die Klagen um "mehr als 20 Prozent erhöht", sagte Steffi Pianka. Alle Pläne mussten wegen der Zeitverzögerung überarbeitet, die Ausschreibungen wiederholt werden.
Das Hugenottenviertel steht im Zusammenhang mit dem berühmten Edikt von Potsdam, das am 8. November 1685 vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg erlassen wurde. Es ist eine Reaktion auf die schon Jahre währende blutige Verfolgung von Protestanten im katholisch dominierten Frankreich. Schon vor den Edikten von Fontainebleau und Potsdam waren Hugenotten nach Brandenburg und Berlin gekommen, um bereits 1672 die erste Französische Gemeinde in Berlin zu gründen. 1685 entwickelte sich eine Massenflucht. Über 20 000 Hugenotten kamen in ein vom Dreißigjährigen Krieg und der Pest entvölkertes Brandenburg-Preußen.
Die Hugenotten prägten ab 1686 das Leben auf dem Areal: beginnend mit dem Betrieb eines Hospitals, der Anlegung eines Friedhofs (1709) über die Gründung eines Waisenhauses (1718), einer Elementarschule (1748), der Errichtung eines Krankengebäudes (1805-1807), den Neubau des Waisenhauses (1844), der Gründung einer Pension für ältere Damen (1857) bis hin zur Errichtung des neuen Hospitalgebäudes (1877-1878). Erhalten ist nur noch der linke Flügel des neuen Hospitalgebäudes, im dem heute die Kita Pelikan untergebracht ist. Ab 1922 führt die finanzielle Schwächung der französischen Gemeinde zu Schließungen sozialer Einrichtungen. Im Zweiten Weltkrieg wurden etliche Gebäude zerstört. 1987 wird das Grundstück an den damaligen DDR-Staat verkauft. Die heutigen Wohnhäuser wurden 1924/25 nach Entwürfen von Architekt Paul Zimmerreimer gebaut.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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