Aufbruch Neukölln berät Väter mit türkischen Wurzeln
Jeden Montag, wenn kurz vor 18 Uhr immer mehr Männer in die Räume des Vereins Aufbruch Neukölln kommen, ist auch Ayden Bilge dabei. Für ihn gehören die regelmäßigen Treffen mit den anderen Männern zu den wichtigsten Ereignissen der Woche. "Weil wir uns dort über alle Fragen, die uns bewegen austauschen können", sagt der 43-Jährige. Das sind Themen wie Integration und Toleranz, Ehe und Familie, aber auch gewaltfreie Erziehung, Sucht und Sexualität.
Ohne Tabus, offen und ehrlich reden die Männer, die zwischen 21 und 70 Jahre alt sind, miteinander. Ayden, der seit fünf Jahren dazugehört, ist sich sicher: "Wenn es die von Kazim Erdogan initiierte Gruppe nicht gebe, wäre mein Leben ganz anders verlaufen."
Die Geschichte des Neuköllners spiegelt wieder, wie es vielen Vätern seines Kulturkreises ergeht. Als junger Mann kam er nach Deutschland, gründete eine Familie, fand Arbeit, wurde aber plötzlich entlassen. Er fühlte sich fremd und alleingelassen, hilflos und unverstanden, auch von den deutschen Kollegen und Nachbarn. Hinzu kamen Streitereien mit seiner Frau, die inzwischen wieder in der Türkei lebt.
"Ich wusste nicht mehr weiter, hatte sogar Selbstmordgedanken", erinnert sich der alleinerziehende Vater. Irgendwann fand er ein Faltblatt über die Selbsthilfegruppe, die der Psychologe Kazim Erdogan ehrenamtlich leitet. Der überzeugte ihn schließlich, auch mal vorbeizukommen.
Ayden Bilge agiert inzwischen sogar als Vorbildkiezvater. Er begleitet beispielsweise Hilfsbedürftige zu den Ämtern. Doch das Wichtigste ist, er schafft Vertrauen und kann mit ihnen über ihre Ängste und Probleme sprechen. "Wir bauen Brücken auf und treffen uns auf Augenhöhe", sagt Projektleiter Kazim Erdogan. Mehr als 100 Männer nehmen inzwischen an den Interkulturellen Vätergruppen teil.
Die Themen legen sie gemeinsam fest und häufig laden sie Experten ein. "Wir wollen die Männer darin stärken, sich der Erziehung ihrer Kinder anzunehmen, sie aber auch mit ihren Problemen nicht alleine lassen", erklärt Erdogan.
Aus vielen Gesprächen weiß er, dass besonders junge Migranten von der Spielsucht betroffen sind. "Wo die Armut regiert, hat das Glücksspiel Hochkonjunktur", sagt Kazim Erdogan. Die Versuchung sei groß, Männer verspielen das Geld und daheim kommt es dann oft zu dramatischen Szenen. Schließlich würden die Frauen und Kinder genauso unter der Sucht leiden, aber aus Scham schweigen.
Um das Thema öffentlich zu machen und den Betroffenen Hilfe anzubieten, startet der Verein Aufbruch Neukölln jetzt mit einer Selbsthilfegruppe für Spielsüchtige. "Von den rund 80.000 Betroffen in Berlin, sind etwa 60 Prozent Zuwanderer", macht Erdogan deutlich.
Angeboten werden sollen zunächst unter anderem Beratungen in deutscher, englischer, türkischer, arabischer, russischer und kurdischer Sprache.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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