Berlin krempelt die Ärmel hoch
Die Berliner zeigen, was sie bewegen können. Und während der Engagementwoche kann jeder dabei zuschauen oder mitmachen. Vom 11. bis 20. September präsentiert sie viele gemeinnützige Aktionen, Lob für die Ehrenamtlichen inklusive.
Damit hatte kaum jemand gerechnet: Binnen weniger Monate waren Tausende Berliner bereit, sich für Flüchtlinge zu engagieren. „Eine enorme Welle der Solidarität geht durch die Stadt“, sagt Carola Schaaf-Derichs von der Landesfreiwilligenagentur Berlin. „Das zeigt, wie viel Kraft eine aktive Bürgergesellschaft haben kann. Alle Berliner können dankbar sein!“ Dabei steht der Einsatz für Flüchtlinge stellvertretend für viele andere Bereiche. Denn auch in Sportvereinen, Bildungsinitiativen oder Naturschutzgruppen wird ehrenamtlich angepackt. Wer diesem engagierten Berlin näher kommen will, der kann die 5. Berliner Engagementwoche nutzen.
Im Wochenkalender auf ihrer Webseite präsentiert sie Info-Veranstaltungen und Mitmach-Aktionen auf www.engagementwoche.berlin. Ob Kiezfest, Cryptoparty oder Putzaktion – das ganze Spektrum an Tätigkeiten und Themen ist präsent. Neugierige sind überall herzlich willkommen. Das diesjährige Motto lautet „Anerkennung geben“. Für Carola Schaaf-Derichs ist es ein Herzensanliegen: „Freiwillige leisten Großes“, sagt die Veranstalterin. „Was sie dafür brauchen, ist Wertschätzung. Von daher laden wir auch alle ein, einmal Danke zu sagen.“ Hier eine kleine Auswahl aus über 100 Veranstaltungen.
Die Räder richtig rollen lassen
Manchen fehlt das Geld für die Reparatur. Andere brauchen nur ein bestimmtes Werkzeug. Oder sie interessieren sich einfach für Fahrradtechnik und wollen dazulernen. So oder so, alle sind willkommen in der Selbsthilfewerkstatt des Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Berlin. Ein Kernteam von sechs Freiwilligen steht bereit, alle Räder wieder flott zu kriegen - kostenlos. Das kommt gut an, auch bei Eva-Maria Scheel. Die ADFC-Landesvorsitzende ist immer wieder beeindruckt, mit wie viel Professionalität, Verantwortungsbewusstsein und Geduld gearbeitet wird. „Ohne die Freiwilligen wäre die Selbsthilfewerkstatt in der jetzigen Form nicht aufrechtzuerhalten“, sagt sie. Überhaupt seien Freiwillige das Standbein und das Herzstück des Vereins.
Fahrrad-Selbsthilfewerkstatt am 11., 16. und 18. September von 17 bis 20 Uhr, Brunnenstraße 28, Mitte
Das Ehrenamt im Schloss Bellevue würdigen
Der erste Mann im Staate ist ein großer Fan des Engagements. Dass Joachim Gauck so leidenschaftlich für eine aktive Bürgergesellschaft eintritt, hat mit seiner Biographie zu tun. Zugleich gehört es zur Aufgabe des Bundespräsidenten. So lädt er jedes Jahr bis zu 4500 Engagierte aus ganz Deutschland ins Schloss Bellevue ein. Beim letzten Bürgerfest am 5. September 2014 sagte er: „Danke für die unzähligen Stunden ehrenamtlicher Arbeit, die Sie unserem Land schenken! Danke für Ihre Entschlossenheit und Ihre Ausdauer, für Ihre Fantasie und Ihr Einfühlungsvermögen, für all Ihre Talente und Fähigkeiten, die Sie in Ihre freiwilligen Aufgaben einbringen.“ Das Bürgerfest hat zwei Teile: Während der erste Tag geladenen Ehrenamtlichen vorbehalten ist, ist am zweiten jedermann willkommen.
Bürgerfest des Bundespräsidenten 2015, Tag des offenen Schlosses am 12. September von 11 bis 17 Uhr, Schloss Bellevue, Tiergarten
Die bunte Welt der Familien feiern
Natürlich wird ein Clown dabei sein, natürlich wird gesungen, gegessen und gelacht – so wie sich das für ein große Feier für Eltern und Kinder gehört. Das Schöneberger Regenbogenfest ist da nicht anders. Besonders ist nur: Es richtet sich explizit auch an Familien, die etwa aus zwei Papas und einer Tochter bestehen. Oder aus zwei Müttern und zwei Söhnen. „Es gibt eine große Vielfalt von Familienformen“, sagt Constanze Körner vom Regenbogenfamilienzentrum Berlin. Ob an Info- oder Ess-Ständen, stets lautet das Motto: „Regenbogenfamilien gehören dazu.“ Dass das gemeinsam gefeiert werden kann, verdankt sich einigen Sponsoren, aber auch zwei Dutzend Ehrenamtlichen. „Überhaupt“, sagt Organisatorin Körner, „ohne die vielen Freiwilligen würde unsere Arbeit nicht funktionieren. Ihr Engagement ist auch für uns eine große Anerkennung.“
Schöneberger Regenbogenfest - ein Straßenfest für alle Familien am 12. September von 13 bis 18 Uhr in der Cherusker Straße
Das Engagement von Senioren höher schätzen
Für viele Senioren ist das Ehrenamt ein wichtiger Teil des Lebens. Die einen bringen ihre Fähigkeiten ein, sei es als Lesepatin oder als Trainer. Andere freuen sich, wenn ein Besuchsdienst vorbeischaut und einen Spaziergang ermöglicht. Für beide Seiten ist der freiwillige Einsatz wohltuend und sinnstiftend. Alles gut also? Nein, sagt Hans Buchholz vom Arbeitskreis Berliner Senioren. Ihn ärgert zum Beispiel, dass ältere Freiwillige nicht immer Fahrtkosten erstattet bekommen. „Es ist doch erniedrigend, wenn Menschen mit einer kleinen Rente darum betteln müssen, dass ihr Aufwand entschädigt wird“, meint er und fordert bessere Rahmenbedingungen. „So viel Anerkennung muss sein!“ Auch deshalb hat der Arbeitskreis an das Ende der 41. Berliner Seniorenwoche eine Diskussion mit Politikern gestellt.
Podiumsdiskussion „Ehrenamt stärken“ am 17. September 2015 von 14 bis 17 Uhr im Käte-Tresenreuter-Haus, Humboldtstr. 12, Grunewald
Die Liebe zu Haustieren schützen
Was tun, wenn das Geld noch reicht, um sich selbst zu versorgen, aber nicht mehr den Hund? Ein Weg aus diesem Dilemma könnte zur Berliner Tiertafel führen. Der Verein findet, finanzielle Not sollte kein Grund sein, sich von einem Haustier trennen zu müssen. Dank Spenden kann er kostenlos Futtermittel abgeben, bis zu zweieinhalb Tonnen im Monat. Ein harter Kern von bis zu 20 Ehrenamtlichen kümmert sich um alles. Weitere Freiwillige werden gesucht, deshalb jetzt ein Schnuppertag. „Neugierige können schauen, ob unsere Arbeit zu ihnen passt“, sagt Linda Oldenburg. Vielleicht erzählt die Vorsitzende auch, was sie kürzlich sehr berührt hat: Ausnahmsweise brachte sie Futter in einer Wohnung vorbei. Dort traf sie auf einen taubstummen Mann und seinen blinden Hund. Weder sie noch ihr Gegenüber konnte etwas sagen, nur standen beiden die Tränen in den Augen.
Schnuppertag bei der Berliner Tiertafel am 19. September von 11 bis 15 Uhr, Mörikestr. 15, Treptow-Köpenick
Autor:Bernd Schüler aus Mitte |
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