Jeder Dritte glaubt an Verschwörungstheorien
Berlin-Studie: Antifeminismus, Antisemitismus und Transfeindlichkeit gestiegen

In Berlin steigen rechtsextreme Einstellungen, Rassismus oder Antisemitismus weiter an. Das ist das Ergebnis der Umfrage „Berlin Monitor 2023“.

Wissenschaftler der Universität Leipzig analysieren seit 2019 im Auftrag des Senats die Entwicklung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Berlin. Bei „Berlin Monitor 2023“ wurden von Mai bis Juli 2048 repräsentativ ausgewählte Berliner ab 18 Jahren zu ihren Einstellungen zur Demokratie, Politik und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen befragt. Der Anstieg „rechtsextremer Überzeugungen muss uns bedenklich stimmen, selbst wenn es sich um Minderheiten handelt“, sagt Studienleiter Professor Gert Pickel.

Autoritäre Aggressionen

Auch wenn wenige Berliner ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ haben, gibt es seit 2021 einen deutlichen Anstieg in der Zustimmung zu rechtsautoritären Aussagen und rechtsextremen Überzeugungen. Die Zustimmung zu Autoritarismus sei stark gestiegen, heißt es. Die Wissenschaftler haben bei 54 Prozent der Befragten „autoritäre Aggressionen“ festgestellt. Die „manifeste Verschwörungsmentalität“ sei von 18 Prozent 2019 auf 31 Prozent 2022 gestiegen. „Die Ergebnisse zeigen auch einen gestiegenen Antifeminismus und Antisemitismus, aber auch eine bei jedem fünften Berliner bestehende Transfeindlichkeit“, heißt es. Jeder fünfte Berliner wünscht sich einen starken Führer. Die Werte sind von zehn Prozent 2021 auf 19 Prozent gestiegen.

Weitere Ergebnisse: In Berlin gibt es eine „hohe offene Zustimmung zu antisemitischen Aussagen“. Jeder siebte sei der Auffassung, dass der „Einfluss der Juden zu groß“ sei. Diese Einstellung war laut Studie schon vor dem 7. Oktober verbreitet, als die terroristische Hamas Israel überfallen und ein Massaker an Hunderten Zivilisten verübt hat.

48 Prozent lehnen den Islam ab

Auch antimuslimische Einstellungen sind „weiter verbreitet als nur in Kreisen der extremen Rechten“, heißt es in der Studie. 20 Prozent der Befragten haben „ein geschlossen muslimfeindliches, rassistisches Denken“, 48 Prozent lehnen den Islam ab. Auch die Ablehnung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt steigt. Diese Ablehnung sei 2023 zwar „Sache einer Minderheit, allerdings keiner kleinen“. Zunehmender Antifeminismus und Transfeindlichkeit seien „Kernideologie rechter Akteure, aber auch Konsequenz der Verteidigung bestehender Machthierarchien“, schreiben die Autoren. „Insgesamt wird deutlich, dass die multiplen Krisen der Gegenwart auch in Berlin Herausforderungen für die Demokratie bereithalten. Und diese Herausforderungen scheinen derzeit härter zu werden“, so das Fazit von Mitautor Professor Oliver Decker, Leiter vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut der Universität Leipzig.

Mehr Geld für Präventionsprojekte

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe bereiten die Ergebnisse „große Sorge“. Rassismus und Antisemitismus seien tief in der Berliner Bevölkerung verwurzelt, sagte sie bei der Vorstellung der Studie. „Deshalb haben wir schon vor Bekanntwerden der Ergebnisse dafür gesorgt, dass die Mittel im Bereich Antidiskriminierung und Vielfalt im kommenden Haushalt 2024/2025 auf jeweils 30 Millionen Euro pro Jahr verdoppelt werden“. Präventionsprojekte gegen rechts, gegen Antisemitismus oder antimuslimischen Rassismus seien aktuell nötiger denn je. Kiziltepe fordert die Bundesregierung auf, „ihre Präventionsmaßnahmen auch in schwierigen Haushaltslagen nicht in Frage zu stellen“. Die Pressekonferenz zur Vorstellung des „Berlin Monitor 2023“ gibt es auf YouTube unter https://youtu.be/ciqrzMY76oU

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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