Präzedenzfall für Berlin
Bezirksamt beendet Leerstand an Habersaathstraße

Im Plattenbau an der Habersaathstraße wohnen aktuell nur noch etwa zehn Mieter. Jetzt ziehen Obdachlose dort ein.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Obdachlose haben lange dafür gekämpft. Nun will ihnen der Bezirk die leer stehenden Wohnungen an der Habersaathstraße zur Verfügung stellen. Für Berlin ist es ein Präzedensfall.

Die erneute Besetzung war erfolgreich. Nach langen Verhandlungen um den fast leer stehenden Plattenbau Habersaatstraße 46 kam es jetzt zu einer Einigung. Der Bezirk will dort zunächst 30 Wohnungen obdachlosen Menschen zur Verfügung stellen. Das teilte die Initiative „Leerstand-Hab-ich-Saath“ mit. Sie hatte, wie bereits im vergangenen Jahr, die erneute Besetzung des Hauses unterstützt.

„Der spekulative Leerstand in der Habersaathstraße wurde endlich beendet“, begrüßt Sprecherin Valentina Hauser die Entscheidung. „Andere Bezirke sind nun an der Reihe, sich ein Beispiel an diesem Vorgehen zu nehmen und zweckentfremdete Wohnungen zu beschlagnahmen oder offensiv auf die Eigentümer zuzugehen und den Leerstand zu beseitigen.“ Die Initiative hätte gezeigt, dass es möglich sei, wohnungs- und obachlosen Menschen ein Zuhause zu geben. „Jetzt muss es weitergehen.“ Für die Linksfraktion ist ein „wichtiges Signal“, dass zum ersten Mal in Berlin spekulativ leer stehende Wohnungen beschlagnahmt werden sollen. „Das zeigt, politischer Druck wirkt“, erklärt Niklas Schenker. Nun sei es wichtig, die politischen Zusagen des Bezirksbürgermeisters zügig zu realisieren. Denn: „Leerstand ist in Zeiten der Wohnungsnot kein Kavaliersdelikt“.

Investor will hochpreisige
Appartements bauen

Wie berichtet hatten Obdachlose im Oktober 2020 die fast leer stehende Habersaathstraße 46 besetzt. Der Hauseigentümer stellte daraufhin einen Strafantrag und das Haus wurde innerhalb weniger Stunden von der Polizei geräumt. Ein Jahr später wurde dann einer der obdachlosen Besetzer wegen schweren Hausfriedensbruchs angeklagt. Zum Prozess kam es aber nicht. Das Verfahren wurde gegen die Auflage von 360 Sozialstunden eingestellt. In dem Haus steht bereits seit Jahren ein Großteil der Wohnungen leer. Weshalb der Bezirk im vorigen Jahr eine Beschlagnahme nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz geprüft hatte. Die ist demnach zum Beispiel in Gefahrensituationen oder einer Pandemie auch gegen den Willen des Eigentümers möglich. Der Bezirk sah damals davon aber ab, weil noch ausreichend Plätze in der regulären Kältehilfe zur Verfügung standen.

Das 1984 als Schwesternwohnheim mit öffentlichen Mitteln gebaute Ensemble an der Habersaathstraße 40 bis 48 war 2006 privatisiert worden. Seit 2017 ist das Haus im Besitz der Arcadia Estates, die einen Abrissantrag gestellt hatte, um dort hochpreisige Appartements zu bauen. Das Bezirksamt wollte die Gebäude hingegen als schützenswerten Wohnraum erhalten. Dagegen klagte der Eigentümer vor Gericht. Anfang 2021 kündigte das Bezirksamt dann an, auf einen Vergleich nicht eingehen zu wollen .

Denkmal für Obdachlose

Wenige Tage vor der Entscheidung des Bezirksamtes in Absprache mit dem Hauseigentümer machte „Leerstand-Hab-ich-Saath“ mit einem „Gedenkort von unten“ auf die Bedürfnisse von Obdachlosen aufmerksam. Die kleine runde Bühne wurde Mitte Dezember auf dem Weddinger Maxplatz in den Boden gelassen. In die Holzplatte eingraviert sind Aussagen von Wohnungslosen, warum sie im vergangenen Jahr die entmietete Habersaathstraße 46 besetzt haben. „Weil ich die Angst vor dem Winter nicht mehr aushalte“ und „ich Zuhause duschen möchte“, ist da zu lesen. Oder „Ich brauche eine Wohnung, weil ich alt und krank bin.“ Wie das Denkmal für die Opfer rassistischer Gewalt am Oranienplatz in Kreuzberg soll die sogenannte Wohnungslosen-Bühne an die Menschen erinnern, die Opfer struktureller Gewalt geworden sind – weil sie ihre Wohnung verloren haben, zwangsgeräumt wurden und obdachlos sind. Eine behördliche Genehmigung hat das Denkmal der Initiative nicht. Aber die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte in ihrer Dezembersitzung auf Antrag der Grünen dessen Duldung beschlossen. Der Antrag der Linken für ein dauerhaftes Denkmal wurde zur Beratung in den zuständigen Fachaussschuss überwiesen.

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Ulrike Kiefert aus Mitte

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