Auszeit von der Straße
Das Berliner Duschmobil bietet obdachlosen Frauen Pflege und auch Beratung
Ein Wasserfall im grünen Dschungel, ein exotischer Papagei über einem türkisblauen See: Das Bild an der Wand des Kleinbusses zeigt ein Paradies. Manche Besucherin wird sich vielleicht auch nach Tagen auf der Straße wie im Paradies fühlen. Denn das auffällige bunte Gefährt ist ein Duschmobil für obdachlose Frauen.
Eine Zählung im vergangenen Jahr erfasste rund 2000 Obdachlose in Berlin, davon 400 Frauen. Schätzungen gehen sogar von bis zu 2500 Frauen aus, an die sich das Projekt richtet. „Dabei ist die Dusche an sich gar nicht mal das Wichtigste“, meint Ursula Snay, Pressesprecherin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), der den Bus betreibt. „Im Grunde hilft uns das Dusch-mobil, überhaupt an die obdachlosen Frauen heranzukommen und ihnen weiterzuhelfen – mit einer Duschgelegenheit, aber auch mit Hygieneartikeln, Kleiderspenden, Kaffee und vor allem mit Beratung.“ Es sei sogar schon einmal vorgekommen, dass eine obdachlose Frau zum Duschen kam, von den Mitarbeiterinnen zur SkF-Tagesstätte „Evas Haltestelle“ geschickt wurde und dort am Ende über das Projekt „Housing First“ einen richtigen Mietvertrag in den Händen hielt. „Von der Straße über die Dusche zur eigenen Wohnung – eine ideale Situation“, sagt Ursula Snay.
Ella Winkelmann und Tabea Erkenz arbeiten im Duschmobil. Die ausgebildeten Sozialarbeiterinnen fahren montags bis freitags bis zu sieben Stationen in der Stadt an. Sie bereiten die Duschgänge vor, reinigen alles gründlich, verteilen die Sachspenden und Snacks, schenken Getränke aus und stehen mit Rat und Tat den Besucherinnen zur Seite.
Ohne Zeitdruck
„Wir bieten den Frauen so etwas wie einen Schutzraum, in dem sie sich mal für eine Stunde oder länger in aller Ruhe waschen, pflegen und erholen können“, erklärt Ella Winkelmann. Zeitdruck bestehe dabei nicht, auch seien bisher noch keine Wartelisten notwendig gewesen. Der Andrang halte sich in Grenzen, sei abends etwas größer als tagsüber, so Ella Winkelmann. Den Frauen bekannt ist das Angebot durch Mundpropaganda, Flyer und die regelmäßige Präsenz an bestimmten von Obdachlosen frequentierten Orten wie Suppenküchen und Notunterkünften.
Die Idee stammt von dem Berliner Unternehmer Matthias Müller, der einem ähnlichen Gefährt während eines Parisaufenthalts begegnet ist. Kurzerhand baute er einen Bus entsprechend aus – wetterfest, beheizt und mit Toilette. Im August 2019 übergab er ihn an den SkF und sorgt nun nach wie vor für die Instandhaltung und anfallende Reparaturen. Die erste Anschubfinanzierung des Projekts über 40.000 Euro übernahm das Bezirksamt Mitte, mittlerweile ist das Duschmobil bis Ende 2021 gesichert.
Ursula Snay: „Die Senatsverwaltung für Soziales hat auch für nächstes Jahr bereits 129.000 Euro bereitgestellt. Damit werden die Sozialarbeiterstellen und die Kosten für das Wasser abgedeckt, alles Weitere läuft über Spenden.“ Und die seien nach wie vor gefragt, so Ursula Snay. Denn mit einem größeren Team könnten weitere Stationen angefahren sowie Urlaubs- und Ausfallzeiten kompensiert werden. Wer also die Arbeit des Duschmobils mit Spenden unterstützen möchte (Stichwort „Duschmobil“), findet alle relevanten Informationen im Internet unter skf-berlin.de/der-verein/spenden.
Standorte und Zeiten sowie weitere Informationen sind der Internetseite duschmobil.de zu entnehmen.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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