Plötzlich Pflegefall
Diese 10 Tipps helfen Berlinern die Pflege zu organisieren
Wenn ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig wird, gibt es vieles zu organisieren. Besonders dann, wenn die Pflege in den eigenen vier Wänden des Pflegebedürftigen durchgeführt werden soll. Wichtig ist jetzt, sich gut zu informieren und alles sorgsam zu planen. Diese 10 Tipps helfen allen Berlinern dabei, die eingetretene Pflegesituation möglichst schnell zu organisieren.
Über 100.000 Berliner werden zuhause gepflegt
Von knapp 2,9 Millionen Menschen, die in Deutschland auf Pflege angewiesen sind, lebt nur ein Viertel in einem Heim. Die große Mehrheit wird hingegen zu Hause versorgt: von der Familie, dem Partner, Bekannten oder Nachbarn. Alleine in Berlin pflegen nach Daten der Krankenkasse Barmer über 100.000 Menschen einen Angehörigen. Ein Pflegefall kann schnell eintreten. Damit Sie gut organisiert sind finden Sie hier eine hilfreiche Checkliste:
1. Beantragen Sie einen Pflegegrad
Als erstes sollten Sie mit der zuständigen Pflegekasse des Betroffenen Kontakt aufnehmen und einen Pflegegrad beantragen. Diesen Antrag können Sie formlos per Fax oder Email stellen. Wichtig: Erst ab dem Monat der Antragsstellung werden Leistungen von der Pflegekasse gezahlt.
2. Bereiten Sie sich auf den MDK Besuch vor
Nachdem ein Pflegegrad beantragt wurde, wird ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zu dem Patienten nach Hause kommen, um einzuschätzen, inwieweit eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Bereiten Sie sich auf den MDK Besuch gut vor und achten Sie darauf, dass alle wichtigen Unterlagen vorliegen. Dazu gehören Arztberichte und Bescheinigungen, Entlassungsberichte aus dem Krankenhaus, Röntgenbilder, MRT, Allergie- und Diabetiker- sowie Schwerbehindertenausweis. Eine Liste aller behandelnden Ärzte und Therapeuten mit dazugehöriger Angabe, wie oft sie diese in der Woche oder im Monat besuchen vervollständigt ihre Unterlagen. Hilfreich ist auch ein Pflegetagebuch, welches sie dem MDK-Mitarbeiter vorlegen können.
3. Lassen Sie sich beraten
Es gibt viele Anlaufstellen, bei denen sich Pflegebedürftige und deren Angehörige beraten lassen können (Pflegestützpunkte, Beratungsstellen von Kirchen und Wohlfahrtsverbänden). Auf der Internetseite www.zqp.de (Zentrum für Qualität in der Pflege) können Sie per Postleitzahl nach Ansprechpartnern suchen.
4. Beantragen Sie Hilfsmittel
Hilfsmittel gleichen körperliche oder geistige Funktionseinschränkungen aus und werden von der Pflegekasse übernommen, jedoch nur, wenn ein Pflegegrad vorliegt. Damit Hilfsmittel, wie Gehhilfen, Elektromobile, Inkontinenzmaterialien oder Hausnotufsysteme von der Pflegekasse bezahlt werden, müssen diese die Pflege erleichtern, zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen. Hier finden Sie das Hilfsmittelverzeichnis des GKV Spitzenverbandes
5. Stellen Sie Helfer zusammen
Berufen Sie eine Familienkonferenz ein und legen Sie dort fest, wer aus der Familie in der Lage ist, bestimmte Aufgaben zu übernehmen, wozu Sie eine professionelle Unterstützung benötigen oder ob sie als Familie vollständig die Pflege durchführen möchten. Hierzu bietet der Gesetzgeber verschiedene Regelungen wie die Familienpflegezeit.
Ab dem Pflegegrad 1 steht Ihnen von der Pflegekasse ein Entlastungsbetrag in Höhe von 125€ monatlich zu. Nutzen Sie diesen Betrag für eine Alltagsassistentin, die stundenweise Entlastung bietet.
Bei erhöhtem Pflegeaufwand sollten Sie über einen Pflegedienst bzw. eine 24-h Betreuung nachdenken. Oft macht es Sinn, gleichzeitig einen Pflegedienst für die pflegerische Versorgung und eine Alltagsassistentin zur Pflegeunterstützung zu beauftragen. Diese führt viele Aufgaben (Kochen, Einkaufen gehen, häusliche Hilfe) durch, die ein Pflegedienst in der Regel nicht übernimmt.
6. Organisieren Sie Essen und Trinken
Oft wollen oder können die Senioren nicht mehr einkaufen und sich das Essen kochen. Hierfür können Mahlzeiten-Dienste beauftragt werden. Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden, privaten Trägern, Senioreneinrichtungen oder auch von Metzgereien vor Ort liefern das sogenannte Essen auf Rädern in die Wohnung des zu versorgenden Menschen.
7. Gestalten Sie die Wohnung sicher und altersgerecht
Machen Sie den Wohnraum des Betroffenen sicherer. Entfernen Sie alle Stolperfallen, wie Kabel oder hochstehende Teppichkanten. Bringen Sie Haltegriffe und Handläufe dort an, wo derjenige sich aufhält und viel bewegt. Sorgen Sie darüber hinaus für eine gute und ausreichende Beleuchtung.
Für die altersgerechte Wohnungsumgestaltung sind manchmal auch bauliche Veränderungen notwendig. Besonders im Badezimmer sind Sturzgefahr und Unfallquote sehr hoch.
Liegt ein Pflegegrad vor, so gibt die Pflegeversicherung für den Wohnungsumbau einen finanziellen Zuschuss von bis zu 4000 Euro pro wohnumfeldverbessernde Maßnahme. Voraussetzung ist, dass dadurch die Pflege zu Hause ermöglicht oder erleichtert wird.
Beachten Sie: Wenn kein Wohneigentum vorhanden ist, müssen bauliche Maßnahmen immer mit dem Vermieter abgesprochen werden.
8. Patientenverfügung
Die Patientenverfügung dokumentiert, wie ein Bevollmächtigter im Sinne des Patienten in gesundheitlichen Angelegenheiten handeln soll, beziehungsweise welche Maßnahmen er veranlassen soll. Es ist ratsam, die Patientenverfügung entweder mit einer Vorsorgevollmacht oder mit einer Betreuungsverfügung zu ergänzen.
Die Patientenverfügung ist für den Bevollmächtigten oder den Betreuer verbindlich. Auch die behandelnden Ärzte müssen sich nach dem Willen des Patienten richten. Folgendes sollten Sie dabei beachten:
● Eine Patientenverfügung muss schriftlich erstellt werden und auch die Unterschrift des Patienten tragen.
● Die Wünsche sollte der Verfasser der Patientenverfügung möglichst genau beschreiben. Ein paar vage Angaben reichen in der Regel nicht aus.
● Die Patientenverfügung sollte einfach zugänglich sein, damit sie im Ernstfall leicht gefunden werden kann.
Das BMJV bietet auf seiner Internetseite Textbausteine für die Patientenverfügung an:
9. Vorsorgevollmacht
Durch eine Vorsorgevollmacht beauftragt jemand eine oder mehrere Personen seines Vertrauens, die in seinem Namen Entscheidungen trifft, Verträge abschließt und für ihn handelt. Die Person kann in der Vorsorgevollmacht festlegen, ob diese für alle ihre Angelegenheiten gelten soll oder nur für einzelne, detailliert beschriebene Aufgaben und Entscheidungen.
Die Vorsorgevollmacht tritt erst dann in Kraft, wenn Sie diese Aufgaben nicht mehr selbst erledigen können.
Beachten sollte man, dass die Vorsorgevollmacht in der Regel über den Tod hinaus gilt. Sie endet nicht, wenn die Person stirbt, sondern muss zunächst durch Erben widerrufen werden. Solange kann ein Bevollmächtigter im Sinne der Vorsorgevollmacht handeln. Deshalb sollte die Person auch in seiner Vorsorgevollmacht genau festlegen, welche Regelungen sie für den Todesfall trifft.
Ein Formular zur Vorsorgevollmacht finden Sie als Download auf der Website des BMJV.
10. Denken Sie auch an sich
Nicht den Mut verlieren. Am Anfang einer plötzlichen Pflegesituation kommen die Probleme mit Wucht und man hat den Eindruck, dass alles auf einmal erledigt werden muss. Meist pendelt sich aber alles nach rund zwei Monaten ein.
Wichtig ist, sich selber genügend Pausen bzw. Auszeiten zu nehmen. Stellt sich aber heraus, dass Sie mit der Pflege des Angehörigen überfordert sind, sollten Sie nicht zögern, eine Beratungsstelle aufzusuchen.
Autor:johannes BRAUN aus Spandau |
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