100 Jahre Groß-Berlin
Eingekesselte Epidemien: Mit Wasser und Dampf im Kampf gegen Krankheitserreger
Mit dem Krieg kamen die Pocken, die Ruhr, die Krätze und schließlich die schwere Grippewelle von 1918, die zur Schließung hunderter Berliner Schulen führte. Die Krankheitserreger hausten vor allem in den Mietskasernen. Die Hygiene war zu dieser Zeit ein großes Manko, dem man mit Desinfektions- und Badeanstalten begegnen wollte.
Mit der Entwicklung der Transportmittel konnten sich die Menschen schneller von A nach B bewegen. Mit ihnen reisten aber auch tückische Krankheitserreger, die sich in Großstädten wie Berlin rasend schnell verbreiten konnten. Schon in den 1840er Jahren stieß der Wiener Arzt Ignaz Semmelweis (1818-1865) erstmals auf die Bedeutung der Hygiene im medizinischen Bereich. Auch der deutsche Mikrobiologe Robert Koch (1843-1910), der einige wichtige Auslöser von Infektionskrankheiten erkannte, nutzte mit der "Dampfdesinfektion" eine Möglichkeit zur Bekämpfung von Krankheitserregern.
Mit dem Wissen um die Hygiene entstanden zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts Desinfektionsanstalten, um die damals um sich greifenden ansteckenden Krankheiten einzukesseln. Kliniken desinfizierten vor allem Wäsche und Matratzen von Kranken, aber auch medizinisches Besteck. Das geschah mit Dampfkesseln, die von beiden Seiten geöffnet werden konnten. Auf der schmutzigen Seite wurden die kontaminierten Stücke zugeführt, auf der reinen Seite die desinfizierten Stücke entnommen. So konnten Keime und Krankheitserreger nicht auf die reine Seite gelangen.
Die erste Berliner Desinfektionsanstalt eröffnete 1887 in der Reichenberger Straße (Kreuzberg) und dehnte sich in wenigen Jahren bis in die heutige Ohlauer Straße aus. Einst riegelten massive Mauern die Anstalt hermetisch ab, hohe Wände trennten zwischen "infizierten Bereich" und "desinfizierten Bereich". Anfangs wurden infizierte Familien samt Hausrat mit dem Pferdewagen zur Anstalt transportiert und dort desinfiziert. Einige Jahre später wurden betroffene Wohnungen von den Dielen bis zur Decke desinfiziert, um hochansteckende Krankheitserreger zu verbannen. Zur Desinfizierung kamen die Erkrankten in die Anstalt und wurden anschließend in Kliniken weiterbehandelt. Weitere Berliner Desinfektionsanstalten kamen in der Kärntener Straße (Schöneberg) und Mollwitzstraße (Charlottenburg) hinzu. Eine Ausbreitung von Krankheiten konnten sie jedoch nie ganz verhindern, sondern nur eindämmen.
Man wusste schon früh um die Bedeutung der Hygiene. Doch die Körperpflege war für einen großen Teil der Menschen lange Zeit nicht selbstverständlich. Die prekären Wohnverhältnisse für die zahlreiche ärmere Bevölkerung machten diese zudem nahezu unmöglich. Die öffentliche Hand sah sich zum Handeln gezwungen. 1853 wurde eine Aktiengesellschaft gegründet, die die Reinlichkeit der Bevölkerung durch Öffnung von Badeanstalten verbessern sollte. Dabei sollten durch niedrige Eintrittspreise die Einrichtungen möglichst allen Bevölkerungsschichten zugänglich sein. So entstanden 1853 und 1855 zwei Bäder, in der August- und in der Schillingstraße (Berlin-Mitte), die sich schon bald großer Beliebtheit erfreuten. In den nächsten Jahren eröffneten immer mehr Bäderbauten. 1889 eröffnete das Admiralsgartenbad in der Friedrichstraße, das – auch später im 1911 erbauten Admiralspalast mit seinen Nachfolgeeinrichtungen – sogar nachts geöffnet hatte. RR
Autor:Ratgeber-Redaktion aus Mitte |
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