Streit wegen Obdachlosen
In Corona-Zeiten eskalieren die Probleme auf der Torstraße

Wegen der Corona-Einschränkungen müssen die Obdachlosen vor der Tür warten. | Foto: Klik
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  • Wegen der Corona-Einschränkungen müssen die Obdachlosen vor der Tür warten.
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  • hochgeladen von Simone Gogol-Grützner

Seit drei Jahren betreibt der Verein Klik einen Beratungsladen und Treff für obdachlose junge Osteuropäer, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben. Direkter Nachbar des Klik ist die private Metropolitan School. Jetzt eskaliert der Konflikt.

Sie kommen, um ihre Wäsche zu waschen, zu duschen, zu essen, gemeinsam zu kochen oder mal im Warmen zu sitzen: junge Obdachlose, meistens aus Polen, die im vom Senat finanzierten Hilfsprojekt von Klik vor allem beraten werden sollen. Doch seit den Corona-Beschränkungen kann auch das fünfköpfige Team von Klik-Chefin Alexandra Post nur noch Notservice wie Duschen oder Lebensmittelausgabe bieten. Wegen der Abstands- und Hygieneregeln dürfen immer nur ein paar Leute rein. Der Rest muss draußen warten. Der Klik-Treff ist eines der wenigen Angebote, wo Obdachlose duschen können.

Seit dem 9. April hat Klik wegen der Pandemie aus Spendengeldern den Obdachlosen ein mal pro Woche zehn Euro ausgezahlt. Der sogenannte Notgroschen war wie ein Magnet, am 25. Mai zum Beispiel standen 364 Leute in der Schlange vor der Schule, im strömenden Regen. Das Team von Alexandra Post hat draußen auf Abstandsregeln geachtet und für Ordnung gesorgt. Doch Eltern der Privatschule hätten sich beschwert. „Kinder seien bedrängt und belästigt worden, es sei an das Schultor und in die Grünanlagen uriniert worden, Alkohol und Drogen wären konsumiert worden. Mehrfach wurden uns Streifenwagen der Polizei zur Kontrolle vorbei geschickt. Die Polizist*innen konnten jedoch nichts beanstanden“, schrieb Klik danach auf seiner Instagram-Seite. „Anscheinend ist die öffentliche Wahrnehmung armer und zum Teil intoxikierter Menschen gerade für die Bessergestellten eine Zumutung“, heißt es da. Der Hilfsverein gibt wegen der Probleme mit der Metropolitan School vorerst kein Bargeld mehr aus. Chefin Alexandra Post weiß, dass der Notgroschen sich herumgesprochen hat und tatsächlich Leute, die noch nie vorher bei Klik waren, nur deshalb gekommen sind.

"Immenses Sicherheitsrisiko"

Die Direktorin der privaten Metropolitan School sagt auf Nachfrage der Berliner Woche zu den Problemen und Beschwerden, dass es keine Probleme gebe. „Wir haben ein schönes Miteinander und arbeiten mit der Einrichtung zusammen“, so Silke Friedrich. Es sei alles „kein Drama und wir gucken, wie wir das organisieren“, sagt Friedrich.

Dabei habe die Schulleiterin Alexandra Post direkt auf der Straße angesprochen und sich bei ihr beschwert. „Sie wusste nicht einmal, dass ich die Leiterin bin“, so Post. In einer folgenden E-Mail spricht Silke Friedrich von Beschwerden und Beobachtungen von Eltern und Mitarbeitern. Grundschüler seien belästigt, bedrängt und bedroht worden. „Die Teilnehmer ihres Projektes sind alkoholisiert und von Drogenkonsum gezeichnet, führen Hunde mit und konsumieren Drogen, Zigaretten und Alkohol direkt vor unserer Schule. Das stellt ein immenses Sicherheitsrisiko dar“, heißt es. Das klingt alles andere als „kein Drama“. Auch von entblößten Penissen ist die Rede.
Alexandra Post hat all solche Dinge bisher nicht gesehen, sagt sie. Aber sie weiß auch, dass die Menschen, die kommen, um sich was abzuholen, mitunter aggressiv sind. Ihr hat auch jemand ins Fahrrad getreten, weil er nicht rein durfte.

Obwohl ihr Team nach jeder Notversorgung auf der Torstraße Müll wegräumt, „sind meine Kollegen kein Security-Personal und auch kein Straßenreinigungsdienst“, so Post. Sie hat Silke Friedrich jetzt gefragt, ob die Schule wegen der WC-Problematik „temporär Abhilfe mit einem Dixiklo schaffen könnte“. Die Antwort steht noch aus.

Schülerin bietet per Mail Unterstützung an

Silke Friedrich betont, dass sie das Problem mit Klik einvernehmlich lösen und „nicht die Interessen unserer Schüler gegen die Grundbedürfnisse von Obdachlosen in Stellung bringen oder beide Interessen gegeneinander ausspielen will“.

Eine Schülerin der Metropolitan School, die von den Beschwerden der Eltern über die Obdachlosen gehört hat, hat dem Klik jetzt eine E-Mail geschrieben. „Es ist mir peinlich, dass Leute wie wir, die so privilegiert sind, es nicht ertragen können, mit denen konfrontiert zu sein, die es nicht sind“, schreibt sie. „Ich finde, es ist wichtig, seinen Kindern beizubringen, dass Leute, denen es oft schlecht geht und die vielleicht nicht so gepflegt aussehen wie andere, deswegen nicht gleich gefährlich sind“, heißt es in der Mail. Die Schülerin möchte in der Schülerzeitung einen Artikel über den Klik-Treff schreiben, das Projekt vorstellen und „dazu aufrufen, euch aktiv zu unterstützen, anstatt gegen euch zu arbeiten“. Auch möchte sie helfen, „zum Beispiel durch Geld- oder Sachspenden oder Hilfe vor Ort“, heißt es. „Ich und viele andere sind bereit, euch mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen und ich würde mich sehr freuen, wenn wir damit einen Unterschied machen könnten“, schreibt das Mädchen. „Vielen Dank für Ihre Hilfe in der aktuellen Krise und auch für all die Sachen, die Sie normalerweise machen. Ich finde es bewundernswert, dass Sie dazu bereit sind, so viel Zeit darin zu investieren, anderen zu helfen“, endet der Brief. Alexandra Post hat das sehr gefreut und gezeigt, dass es auch Unterstützung gibt.

Wegen der Corona-Einschränkungen müssen die Obdachlosen vor der Tür warten. | Foto: Klik
Vor der Tür warten Obdachlose auf eine warme Mahlzeit und den Notgroschen. | Foto: Klik
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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