Initiative will mitreden / Senat legt Konzept vor
Am 12. Juli trafen sich Vertreter der Senatsverwaltung, des Berliner Immobilienmanagements (BIM) und eines neu gegründeten Zusammenschlusses früherer Häftlinge zum Gespräch. Rainer Dellmuth ist Sprecher der "Initiativgemeinschaft Ehemaliges Polizeigefängnis Keibelstraße". Zweimal hat er hier gesessen, 1967 wegen staatsgefährdender Hetze und 1971 wegen versuchter Republikflucht. "Während meiner ersten Haft hatte ich eine Zelle im siebten Geschoss und konnte beobachten, wie die Kugel des Fernsehturms gebaut wurde. Damals gab es noch keine Sichtblenden", erzählt er. Er erinnert sich wie er sich gefühlt hat, als er zum ersten Mal den riesigen Zellentrakt betrat und nach oben blickte. "Man kam sich so unendlich klein und hilflos vor."
Das Gefängnis hatte 214 Plätze, oft war es jedoch überbelegt. Neben Kriminellen waren auch viele "Politische" inhaftiert. Manche wenige Stunden, manche monatelang - bis sie dann in andere Gefängnisse transportiert wurden. "Keibelritze" sei der Knast im Volksmund genannt worden und die fensterlosen Vernehmungszellen im Erdgeschoss "grüne Hölle", so Dellmuth.
Jeder habe gewusst, dass es hier ein Gefängnis gibt, auch wenn das von außen nicht erkennbar war und auch nicht sein sollte. Der Trakt wurde in den Jahren 1949 bis 1951 in einen neuen Gebäudeflügel "hineingebaut", der Freigang fand auf dem Dach statt. Auch der Gefangenentransport sollte möglichst unauffällig vor sich gehen. Dellmuth verließ das Gebäude mit einem Barkas, der die Aufschrift "VEB Fischkombinat" trug.
Was der 66-Jährige bis heute am DDR-System besonders perfide findet, ist die Verzahnung von Volkspolizei und Staatssicherheit. Er möchte, dass die Rolle der "normalen" Polizei bei der Verfolgung politisch Andersdenkender mehr in den Fokus rückt. Auch deshalb hat er mit anderen Betroffenen die Initiative gegründet. Sie will gemeinsam mit der Gedenkstätte Hohenschönhausen ein Betriebskonzept für das Untersuchungsgefängnis, das unter Denkmalschutz steht, entwickeln. Vor allem sollte es Gruppenführungen mit Zeitzeugen geben, meint Dellmuth.
Doch das sieht man bei der Senatsverwaltung anders. "Dieser Ort soll kein zweites Hohenschönhausen werden", sagt Reinhold Reitschuster von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Hier solle ein Lernort entstehen, an dem man sich mit Erscheinungsformen der Repression in der Diktatur auseinandersetze, zum Beispiel in Seminaren. In einigen Zellen solle man Lebensläufe von Gefangenen nachlesen können, auch Führungen mit kleinen Gruppen seien denkbar. Ein Grobkonzept stehe, beteiligt sei unter anderem die Robert-Havemann-Gesellschaft. Die BIM als Hauseigentümern habe Architektenbüros mit Planungen beauftragt. Im Herbst wolle man das Konzept dem Abgeordnetenhaus vorlegen.
Inwieweit man mit der neuen Initiative zusammenarbeiten könne, müsse noch geprüft werden. "Was wir nicht wollen: Eine Schülergruppe kommt, der Zeitzeuge erzählt, und dann geht die Gruppe wieder." Doch genau das findet Dellmuth, der bundesweit Vorträge hält, wichtig. "Die jungen Leute sollen aus erster Hand erfahren, wie es wirklich war."
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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