"Das Virus hat noch genug Futter"
RKI startet lokale Corona-Studie in Mitte
Wie verbreitet ist das Coronavirus in der Großstadt? Das will das Robert-Koch-Institut herausfinden. Für eine Studie werden jetzt 2000 zufällig ausgewählte Einwohner aus Mitte getestet – auf Antikörper.
Ein Pieks in die Vene und schon fließt das Blut ins Röhrchen. Stephan von Dassel (Grüne) bleibt cool, als ihn Carolyn Krause vom Robert-Koch-Institut (RKI) im Testbus vor der Arminius-Markthalle zur Ader lässt. Mittes Bürgermeister will mit gutem Beispiel vorangehen und zur Teilnahme an der „Corona-Monitoring-lokal“-Studie des RKI motivieren.
Denn bis zum 5. Dezember sollen insgesamt 2000 Einwohner aus Mitte auf Corona-Antikörper untersucht werden. Das RKI will herausfinden, ob die Testpersonen bereits Antikörper gegen das neuartige Coronavirus gebildet haben und hofft auf Erkenntnisse zur Dunkelziffer.
Dass sich das RKI für seine Studie den Bezirk Mitte ausgesucht hat, ist kein Zufall. Mitte gehöre mit über 1300 neuen Fällen in den vergangenen sieben Tagen zu den Corona-Hotspots, erklärte Osamah Hamouda, Leiter der Abteilung für Infektionsepidemiologie am RKI bei der Päsentation der Studie im Rathaus Tiergarten. „Nach den Meldedaten sind bisher fast zwei Prozent der Menschen im Bezirk betroffen gewesen“, so Hamouda. Vor allem die 34- bis 50-Jährigen, was sich vom Bundestrend unterscheidet, denn häufiger erkranken Ältere. „Die Studie ist wichtig, um Covid 19 besser zu verstehen“, betonte Hamouda. Wie viele Personen sind in Mitte aktuell infiziert? Wie viele haben die Erkrankung symptomlos durchgemacht? Unter welchen Spätfolgen leiden die Betroffenen, welche Menschen sind häufiger betroffen, und was sind die Risikofaktoren für eine Infektion? Alle diese Fragen wollen die Wissenschaftler möglichst beantworten.
Diffuses Infektionsgeschehen
Die aktuelle Untersuchung in Mitte ist die vierte Erhebung im Rahmen der „Corona-Monitoring-lokal“-Studie. Doch anders als an den anderen drei Teilnehmer-Orten Kupferzell (Baden-Württemberg), Bad Feilnbach und Straubing (beide Bayern) habe man es in Mitte mit einem diffusen und akuten Infektionsgeschehen zu tun, sagte Studienleiterin Claudia Santos-Hövener. In den bisher getesteten Regionen seien die Ausbrüche im Frühjahr in vielen Fällen auf konkrete Veranstaltungen zurückzuführen gewesen. „Im viel diverseren Mitte geht es uns auch um Faktoren wie die soziale Lage der Betroffenen, ihre Arbeits- und Wohnsituation.“ Was die Testergebnisse etwa in Bad Feilnbach angeht, so habe man dort bei sechs Prozent der Studienteilnehmer Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachweisen können, informierte Santos-Hövener. Sie hätten demnach die Infektion bereits durchgemacht. Allerdings bilde nicht jeder, der eine Infektion überstanden habe, auch automatisch Antikörper, erklärten die Wissenschaftler.
Insgesamt sollen 8000 zufällig ausgewählte Erwachsene an der Studie teilnehmen, in Mitte wurden 2000 vom RKI angeschrieben. Die Teilnahme ist freiwillig. „Wir bitten jeden Einwohner, der unsere Einladung erhalten hat, diese auch wahrzunehmen“, sagte die Studienleiterin. „Bisher haben sich 944 Personen angemeldet.“ Wird die 2000er-Sollzahl für repräsentative Ergebnisse nicht erfüllt, will das RKI nachladen. Vor dem eigentlichen Test befragen die Wissenschaftlicher jeden Freiwilligen über einen Fragebogen nach seiner Gesundheit. An den zwei Studienstandorten (Medibusse) in Moabit und Wedding wird den Probanden dann Blut entnommen, um Antikörper nachzuweisen. Außerdem wird der Rachen abgestrichen, um eine akute Infektion feststellen zu können. Die Proben gehen anschließen in die RKI-Labore. „Bei einem positiven Befund wird der Teilnehmer sofort informiert und das Gesundheitsamt benachrichtigt“, so Santos-Hövener.
Ergebnisse Anfang nächsten Jahres erwartet
Erste Ergebnisse der Studie sollen Ende Januar, Anfang Februar vorliegen. „Was wir aber jetzt schon sagen können, nur ein geringer Teil der Bevölkerung hat die Infektion bereits durchgemacht. 90 Prozent hatten das Virus noch nicht und haben somit noch keine Antikörper bilden können“, warnte Osamah Hamouda. Das Virus habe also noch „genügend Futter“. Hamouda appellierte deshalb erneut an die Berliner: „Vermeiden Sie Kontakte, auch wenn es schwer fällt, halten Sie Abstand und tragen Sie eine Maske.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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