Mehr Kostenlos-Klos ab März
Senat macht nach Testphase im vergangenen Jahr zunächst 100 WC-Pavillons entgeltfrei
Das Senat will nach dem Pilotprojekt zur kostenlosen WC-Nutzung weitere 50 City-Toiletten entgeltfrei machen. Das hat jetzt Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) „nach positiver Evaluation“ der Testphase mitgeteilt.
Alle 278 von der Firma Wall für Berlin entwickelten und betriebenen Toilettenanlagen sollen schon bald kostenlos sein. Zunächst sollen sich ab März weitere 50 öffentliche City-Toiletten per Knopfdruck öffnen – ohne Bezahlung. Bereits seit August 2022 sind 50 Wall-Klos entgeltfrei. An den anderen 228 wurden nur die Münzboxen demontiert. Dort muss man, wie bisher auch schon möglich, bargeldlos mit Karte oder App bezahlen.
Die von Initiativen schon länger geforderte Gratisnutzung der Stadttoiletten wurde durch den enormen Anstieg der Reparaturkosten infolge von Einbrüchen in die Hightech-Klos vorangetrieben. Immer häufiger wurden seit 2022 die Münzautomaten mit dem Bargeld aufgebrochen. Wie berichtet, sprach Betreiber Wall von über 1000 Fällen pro Woche. Neben explodierenden Kosten und sechsstelligen Verlusten durch die entwendeten 50-Cent-Münzen waren die demolierten Toiletten auch erst einmal nicht nutzbar.
Münzboxen entfernt
Um das Einbruchsproblem zu lösen, wurden im August die Münzboxen entfernt. Wenn es keine Münzen mehr gibt, hören die Einbrüche auf, so das Kalkül. Die Befürchtung war jedoch, dass die Kostenlos-Toiletten von Obdachlosen blockiert werden sowie Vandalismus und Vermüllung zunehmen. Um das genauer beurteilen zu können, hatte der Senat den sechsmonatigen Testbetrieb gestartet. Das Zwischenergebnis: Die Umsonst-Toiletten werden viel stärker genutzt und kosten dadurch mehr für Reinigung und Reparatur als die Anlagen mit Kartenzahlung, teilt die Umweltverwaltung mit. Trotz intensiverer Beanspruchung „kommt es aber nicht zu auffällig vielen Fehlnutzungen“, heißt es in dem Bericht. Mit Fehlnutzungen ist gemeint, dass die Anlagen demoliert, zerstört oder durch Dauerbewohner blockiert werden. Wall-Sprecherin Frauke Bank beobachtet schon seit Jahren eine Zunahme von Verdreckung und Vandalismus. Drogenabhängige nutzen an bestimmten sozialen Brennpunkten die Pavillons, um sich einen Schuss zu setzen; Obdachlose verrammeln die Türen und übernachten dort. Am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg sei ein Wall-Pavillon sogar mehrfach abgebrannt, wie Frauke Bank sagt.
Trotz höherer Betriebskosten will Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) „nach positiver Evaluation des Testbetriebs in ganz Berlin mehr Toiletten als bisher kostenlos zur Verfügung stellen“, sagt sie. „Toiletten im öffentlichen Raum sind elementarer Bestandteil einer lebenswerten Stadt. Gerade Corona hat gezeigt, dass sie schlicht zur Daseinsvorsorge gehören – gerade für ärmere Menschen.“ Die bisherigen Untersuchungsergebnisse würden eine Ausweitung des Angebots erlauben. Der Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus muss die Gelder im Haushalt noch freigeben. Im nächsten Doppelhaushalt 2024/2025 will der Senat weitere Mittel bereitstellen.
Jährlich 3,5 Millionen Euro
Jarasch will zügig alle Berliner Toiletten kostenfrei machen. Das bedeutet Mehrausgaben für die Landeskasse. Durch die erhöhten Reinigungskosten und entgangene Nutzungsentgelte betrugen die Zusatzkosten für die 50 Anlagen im Testbetrieb für ein halbes Jahr 517.000 Euro. Bei jetzt geplanten 100 kostenlosen WC-Pavillons rechnet der Senat für 2023 mit 1,15 Millionen Euro. Wenn die Nutzung aller 278 Wall-Toiletten unentgeltlich ist, kostet das den Steuerzahler jährlich 3,5 Millionen Euro.
Für Wall ändert sich durch die Gratisregelung nichts. Der Stadtmöblierer bekommt die zusätzlichen Betriebskosten vom Senat erstattet. Wall hatte 2018 in einer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag für Berlins Toiletten bekommen. Der Deal: Wall errichtet die öffentlichen Toilettenanlagen und betreibt sie für die nächsten 15 Jahre. Dafür bekommt die Firma vom Senat etwa 240 Millionen Euro. Die Gebühren von 50 Cent für die Toilettenbenutzung fließen bisher in die Senatskasse.
Von Werberechten entkoppelt
In den Jahrzehnten vor dem neuen Toilettenvertrag war das Geschäft mit Werbedeals gekoppelt. Wall durfte für den Betrieb der Stadttoiletten im Gegenzug riesige Werbewände auf öffentlichem Straßenland aufstellen und Werbung auf den Klo-Pavillons selbst machen. Im neuen Toilettenvertrag wurde der Toilettenbetrieb von den Werberechten vollständig entkoppelt.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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