Zu wenig Zeit für Solidarität
Senat verschiebt die geplante zweite Obdachlosenzählung
Die Senatssozialverwaltung hat die für den 22. Juni geplante berlinweite Obdachlosenzählung verschoben. Grund dafür ist, dass sich trotz monatelanger Aufrufe zu wenige Freiwillige für die nach Januar 2020 zweite „Nacht der Solidarität“ gemeldet haben.
Bei der ersten deutschlandweiten Obdachlosenzählung vom 29. zum 30. Januar 2020 waren rund 2600 Ehrenamtliche unterwegs, um die Obdachlosen in 615 Gebieten zu zählen. Die Teams hatten Fragebögen dabei und wollten, wenn möglich, von den Leuten Angaben zu Alter, Geschlecht und Herkunft sammeln und wissen, wie sie die Situation auf der Straße einschätzen. Die Sozialverwaltung sammelt die Daten, um gezielter Hilfsangebote machen zu können.
Die jetzt geplante Zählung wird auf Januar 2023 verschoben. Für die Befragung hatten sich nur knapp 1200 Freiwillige gemeldet. Es hätten mindestens doppelt so viele sein müssen, vor allem um die Ergebnisse mit der ersten Erhebung im Januar 2020 vergleichen zu können. Diese wissenschaftliche Vergleichbarkeit war das Hauptargument, die Sommerzählung kurz vor dem Start zu stoppen. Experten hatten überlegt, die Zählung mit weniger Freiwilligen in einem kleineren Radius von Berlin durchzuführen. Das wurde schließlich verworfen.
Der Senat begründet „den geringen Rücklauf an Anmeldungen“ mit dem Ukraine-Krieg. Viele Freiwillige helfen seit Wochen Flüchtlingen in zahlreichen Projekten. „Tag und Nacht sind somit Tausende Freiwillige im Einsatz, etwa am Hauptbahnhof, am ZOB und am Südkreuz“, heißt es in der Erklärung von Senat und dem Verband für sozio-kulturelle Arbeit (VskA), der die Zählung organisiert. Ein weiterer Grund ist, dass viele Berliner Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben oder sie bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen begleiten und deshalb keine Zeit haben. Bei der ersten Obdachlosenzählung 2020 hatten sich über 3700 Freiwillige angemeldet. Über 2000 Obdachlose wurden damals registriert.
Aus der „Nacht der Solidarität“ wurde die „Zeit der Solidarität“. Die geht auch am 22. Juni weiter, teilt das Bündnis mit. Das Projekt mit seinen dezentralen Veranstaltungen und Aktionen will „sichtbar machen, dass auch im Sommer in Berlin viele Menschen auf der Straße leben“. Zur „Zeit für Gespräche” werden Obdachlose und die bislang angemeldeten Freiwilligen eingeladen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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