Welt-Psoriasistag 2017: Unterstützung für Menschen mit Schuppenflechte
Was macht das mit einem Menschen, wenn der Körper 30 Jahre lang mit roten, juckenden Schuppen übersät ist? Wenn das Starren der Passanten den Sommerspaziergang durch die Fußgängerzone im T-Shirt zum Spießrutenlaufen macht? Oder andere spürbar auf Abstand gehen lässt? Was tun: Sich zur eigenen Haut bekennen oder verstecken?
Wolfgang Fischer (57) gibt auf diese Fragen seit drei Jahrzehnten Tag für Tag Antwort. Denn von diesen Fragen wird sein Leben bis heute bestimmt. Er steht stellvertretend für zwei bis drei Millionen Menschen in Deutschland, die von der Volkskrankheit Schuppenflechte betroffen sind und auf deren Situation der Welt-Psoriasistag am 29. Oktober 2017 unter dem Motto „Haut bekennen“ aufmerksam machen will.
„Bei mir fing es mit Mitte Zwanzig an“, erzählt Fischer. „Seitdem habe ich immer wieder andere Medikamente und Behandlungen ausprobiert. Über 30 Jahre ging es bergauf und bergab, aber richtig geholfen hat nichts.“
Das ist der typische Verlauf der Erkrankung, der die Betroffenen in ein ständiges Wechselbad von Hoffen und Bangen taucht: ein paar Wochen herrscht Ruhe, dann kommt ein neuer Schub und das Leiden geht wieder von vorne los – mit roten, verdickten und schuppenden, teils stark schmerzenden und juckenden Hautstellen, meist an den Armen und Beinen, im Intimbereich oder am Kopf.
Dazu kommt dann wieder die Frage: Wie umgehen mit den starrenden Blicken der Mitmenschen, mit Ausgrenzung und Diskriminierung. Jeder Betroffene entwickelt da seine eigene Strategie. Manche sprechen direkt und offen über ihre Schuppenflechte, wenn sie neue Menschen treffen: „Guten Tag, meine Haut sieht so aus, weil ich Schuppenflechte haben. Aber keine Angst, das ist nicht ansteckend.“
Andere versuchen, ihre Haut so gut es geht zu verstecken, um der Stigmatisierung zu entgehen. Das war auch bei Wolfgang Fischer so. „Ich bin öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kälte- und Klimatechnik. In meinem Beruf hat man glücklicherweise sowieso meistens lange Kleidung an. Aber in der Freizeit… Also, in ein öffentliches Freibad zu gehen, das wäre für mich einfach nicht in Frage gekommen.“ Wer als Betroffener im Hochsommer bei 30 Grad anderen im langen Rollkragenpullover begegnet, denkt unwillkürlich: „Die haben bestimmt das gleiche Problem wie ich“.
Nur im Fitnessstudio fühlte Wolfgang Fischer sich sicher und geschützt, dort hatte er das Gefühl, sich nicht verstecken zu müssen. Fünf Mal die Woche trainierte er, oft gemeinsam mit seinem Sohn, der wie er gleichfalls an einer Schuppenflechte leidet. Dort kannten ihn alle und viele wussten auch über seine Erkrankung Bescheid. Und der Sport, die Sauna, die Sonnenbank taten seiner Haut gut. „Ich habe mir da Ruhe und Zeit gegönnt, das hat wirklich geholfen“.
Aber irgendwann war es mit dem Rückzugsort und der Ruhe vorbei. Einige Mitglieder beschwerten sich offenbar wegen seiner Schuppenflechte beim Geschäftsführer und stellten diesen vor die Wahl: Entweder geht Herr Fischer oder wir. Von einem Tag auf den anderen wurde ihm dann im Februar dieses Jahres die Mitgliedschaft fristlos gekündigt, er wurde – vor den Augen seines Sohnes – aufgefordert, das Gebäude sofort zu verlassen. „Selbst, als ein Mitglied in der Umkleide beim Stehlen erwischt wurde, durfte der Mann weiter im Studio bleiben“, erzählt er bitter. „Und stellen Sie sich vor, ich werde wegen einer nicht-ansteckenden Hautkrankheit vor die Tür gesetzt.“
Der Welt-Psoriasistag steht dafür ein, dass Diskriminierungen verschwinden. Sein Motto „Haut bekennen“ ist auch ein Appell an alle Nicht-Betroffenen in Deutschland, die Millionen von Menschen mit Psoriasis nicht auszugrenzen und sich jeder Form von Stigmatisierung und Diskriminierung entgegenzustellen. Dafür setzt sich auch die Kampagne „Bitte berühren“ ein, die über Schuppenflechte aufklärt und zudem Betroffene über moderne Behandlungsmöglichkeiten informiert und zum Hautarztbesuch motiviert.
Dr. Ralph von Kiedrowski, Spezialist für Schuppenflechte und Mitglied des BVDD-Vorstands: „Der Welt-Psoriasistag macht rund um den Globus auf Schuppenflechte aufmerksam und verleiht den Millionen von Betroffenen eine Stimme. Zahlreiche deutsche und internationale Organisationen unterstützen den Aktionstag, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und natürlich auch der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) mit seiner Kampagne „Bitte berühren“.
Unter dem Motto „Haut bekennen“ klären die Unterstützer des Welt-Psoriasis-Tages rund um den 29. Oktober 2017 über die nicht ansteckende Hauterkrankung auf und setzen sich dafür ein, Defizite ab-zubauen. Die deutschen Dermatologen arbeiten dabei in den regionalen Psoriasis-Netzen gemeinsam mit der Bundeskonferenz zur Psoriasis zusammen. In Deutschland finden zahlreiche Veranstaltungen statt, wie die live gestreamte Pressekonferenz im Hafen-Klub Hamburg am 26. Oktober 2017 bis hin zu unterschiedlichsten Informationsveranstaltungen für Betroffene, Angehörige und Interessierte in vielen deutschen Städten.
Denn auch wenn die WHO Deutschland bei der Versorgung von Schuppenflechte als gutes Beispiel hervorhebt: Es bestehen hierzulande noch immer erhebliche Defizite bei der Versorgung und dem Umgang mit Menschen, die unter dieser Erkrankung leiden. Zum Welt-Psoriasistag fordern wir als Dermatologen daher für die Betroffenen insbesondere flächendeckenden Zugang zu einer leitliniengerechten ambulanten Versorgung, die wirksam auf die verschiedenen Schweregrade der Erkrankung abgestimmt ist. Zudem müssen Stigmatisierung und Ausgrenzung abgebaut werden. Schuppenflechte ist nicht ansteckend, trotzdem gehört Diskriminierung für viele Psoriasis-Patienten aufgrund der sichtbaren Hautveränderungen zum Alltag.“
Für Wolfgang Fischer gibt es trotz seiner schlimmen Erfahrung ein Happy End: Nachdem er es irgendwann aufgegeben hatte, sich behandeln zu lassen und sich mit Behandlungsmöglichkeiten zu beschäftigen, erfuhr er vor kurzem davon, dass es mittlerweile einen neuen Behandlungsstandard mit modernen Therapien gibt. Sie greifen in fehlerhafte Abwehr-Reaktionen des Körpers ein und sind dadurch besonders wirksam. Anfang Mai begann seine Behandlung, bereits nach vier Tagen waren keine Schuppen mehr zu sehen. „Ich konnte es nicht glauben. Man konnte von Tag zu Tag zugucken, wie sie weggingen. Sechs Wochen später war die Schuppenflechte komplett verschwunden“, berichtet Fischer begeistert. „Ich fühle mich seitdem einfach viel, viel besser. Ich kann endlich kurze Sachen anziehen oder ins öffentliche Schwimmbad gehen, und ich denke mir da tatsächlich gar nichts dabei. Es ist einfach ein komplett anderes Lebensgefühl, das lässt sich gar nicht beschreiben.“
Nur den Rauswurf aus dem Fitnessstudio hat er noch nicht verwunden: „Praktisch nur ein paar Wochen nach der fristlosen Kündigung durch den Geschäftsführer war ich die Schuppenflechte los und meine Haut wieder völlig normal. Der ganze Ärger und dieses unwürdige Verhalten, die sind doch völlig unnötig gewesen.“
Über die Kampagne „Bitte berühren“
Die Kampagne „Bitte berühren – gemeinsam aktiv gegen Schuppenflechte“ macht darauf aufmerksam, dass Betroffene körperlich und zugleich auch seelisch leiden: Ihre Mitmenschen gehen oft auf Distanz zu ihnen, sobald deutliche Hautveränderungen sichtbar werden. Andererseits werden Betroffene oft von Ängsten und Unsicherheiten gequält, ziehen sich zurück und erfahren deshalb häufig weniger Körperkontakt und Nähe als Hautgesunde. Die Kampagne hat zum Ziel, Betroffene zum Hautarztbesuch und zu einer modernen Therapie zu motivieren, um ihre Lebensqualität zu steigern und ihnen einen unbeschwerten Umgang mit Berührungen zu ermöglichen.
Mehr Informationen unter www.bitteberuehren.de.
Autor:Berufsverband der Deutschen Dermatologen aus Mitte |
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