Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
Wer sich mit Corona am Arbeitsplatz infiziert, hat die Beweislast
Vor zwei Jahren hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales die Beratungsstelle Berufskrankheiten gegründet. In der Pandemiezeit ging es vor allem um die Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit.
Wenn man am Arbeitsplatz einen Unfall hat oder durch den Job gesundheitliche Schäden erleidet, kann es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit handeln. Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften finanzieren im Falle einer Anerkennung die Behandlungen oder die Umschulungen und zahlen Lohnersatz oder Rente. Die Verfahren sind meist komplex und viele Beschäftigte wissen nicht, dass Krankheiten wie Hautkrebs auch von der Arbeit herrühren können.
Seit zwei Jahren will die Beratungsstelle Berufskrankheiten im Haus der Senatsarbeitsverwaltung – eine von insgesamt vier Beratungsstellen bundesweit – über das Thema aufklären und Beschäftigte ermutigen, bei Verdacht den Unfallversicherungsträger zu informieren. In den vergangenen zwei Jahren ging es in den Beratungen viel um die Folgen einer Covid- und Long-Covid-Erkrankung. Die Gesetzeslage ist hier verzwickt und die Anerkennung von Corona-Folgen als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall schwierig. Wenn ein Bauarbeiter vom Gerüst fällt, ist relativ eindeutig, wann, wo und warum der Unfall passiert ist. Bei Infektionskrankheiten ist das komplizierter. Nach derzeitigem Recht wird Covid nur für Beschäftigte im Gesundheitswesen als Berufskrankheit anerkannt. Krankenschwestern und Pfleger zum Beispiel müssen nicht zwingend den genauen Zeitpunkt der Infektion oder eine nachweislich mit dem Virus infizierte Kontaktperson benennen können.
"Eine Krankheit, ein Verfahren"
Alle anderen Berufsgruppen können Covid-Erkrankungen nur als Arbeitsunfall melden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) lehnt die Anerkennung als Berufskrankheit für andere Branchen unter Verweis auf fehlende Nachweise zum erhöhten Infektionsrisiko bisher ab. Das heißt, Arbeiter in Fleischfabriken, im Einzelhandel, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Erzieher, Schaffner, Busfahrer, Leute in Großraumbüros und alle anderen, die im Job viel Kontakt mit Menschen und damit auch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben, bleibt nur die Möglichkeit, Corona als Arbeitsunfall anzuzeigen. Im Gegensatz zu den Beschäftigten im Gesundheitsbereich müssen sie genau nachweisen, bei wem sie sich wann auf Arbeit angesteckt haben. Diese Beweisführung ist fast unmöglich. „Die Beweislasterleichterung sollte für alle gelten, die viele Kontakte am Arbeitsplatz haben“, meint Karin Wüst. Sie leitet das dreiköpfige Team der Beratungsstelle Berufskrankheiten und fordert eine Vereinfachung. „Eine Krankheit, ein Verfahren“, sagt sie.
In 105 Fällen halfen Berater
Die Beratungsstelle hat in den zwei Jahren insgesamt 155 Beratungen zum Thema Covid als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall durchgeführt. In 105 Fällen halfen die Berater bei den Antragsverfahren. Die sind kompliziert und ziehen sich oft lange hin. 13-mal haben die Unfallkassen bisher Corona anerkannt. Bei den bisher 20 Ablehnungen sind noch Widersprüche möglich. In den zwei Fällen von einem Lehrer und Sozialarbeiter, die an Corona verstorben sind, konnten die Angehörigen mithilfe der Beratungsstelle Berufskrankheiten eine Anerkennung als Arbeitsunfall erreichen. Sie bekommen jetzt eine Rente ausgezahlt.
Die Beratungsstelle Berufskrankheiten befindet sich im Gebäude der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Oranienstraße 106. Beratungstermine kann man unter Tel. 90 28 26 36 oder über den E-Mail-Kontakt beratungsstelle.bkv@senias.berlin.de vereinbaren.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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