Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
Wer sich mit Corona am Arbeitsplatz infiziert, hat die Beweislast

Derzeit werden Erkrankungen, die auf eine Covid-19-Infektion zurückzuführen sind, nur bei Beschäftigten im Gesundheitswesen als Berufskrankheit anerkannt. | Foto: Foto: Melinda Nagy, AdobeStock (Symbolfoto)
  • Derzeit werden Erkrankungen, die auf eine Covid-19-Infektion zurückzuführen sind, nur bei Beschäftigten im Gesundheitswesen als Berufskrankheit anerkannt.
  • Foto: Foto: Melinda Nagy, AdobeStock (Symbolfoto)
  • hochgeladen von Hendrik Stein

Vor zwei Jahren hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales die Beratungsstelle Berufskrankheiten gegründet. In der Pandemiezeit ging es vor allem um die Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit.

Wenn man am Arbeitsplatz einen Unfall hat oder durch den Job gesundheitliche Schäden erleidet, kann es sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit handeln. Die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften finanzieren im Falle einer Anerkennung die Behandlungen oder die Umschulungen und zahlen Lohnersatz oder Rente. Die Verfahren sind meist komplex und viele Beschäftigte wissen nicht, dass Krankheiten wie Hautkrebs auch von der Arbeit herrühren können.

Seit zwei Jahren will die Beratungsstelle Berufskrankheiten im Haus der Senatsarbeitsverwaltung – eine von insgesamt vier Beratungsstellen bundesweit – über das Thema aufklären und Beschäftigte ermutigen, bei Verdacht den Unfallversicherungsträger zu informieren. In den vergangenen zwei Jahren ging es in den Beratungen viel um die Folgen einer Covid- und Long-Covid-Erkrankung. Die Gesetzeslage ist hier verzwickt und die Anerkennung von Corona-Folgen als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall schwierig. Wenn ein Bauarbeiter vom Gerüst fällt, ist relativ eindeutig, wann, wo und warum der Unfall passiert ist. Bei Infektionskrankheiten ist das komplizierter. Nach derzeitigem Recht wird Covid nur für Beschäftigte im Gesundheitswesen als Berufskrankheit anerkannt. Krankenschwestern und Pfleger zum Beispiel müssen nicht zwingend den genauen Zeitpunkt der Infektion oder eine nachweislich mit dem Virus infizierte Kontaktperson benennen können.

"Eine Krankheit, ein Verfahren"

Alle anderen Berufsgruppen können Covid-Erkrankungen nur als Arbeitsunfall melden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) lehnt die Anerkennung als Berufskrankheit für andere Branchen unter Verweis auf fehlende Nachweise zum erhöhten Infektionsrisiko bisher ab. Das heißt, Arbeiter in Fleischfabriken, im Einzelhandel, Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer, Erzieher, Schaffner, Busfahrer, Leute in Großraumbüros und alle anderen, die im Job viel Kontakt mit Menschen und damit auch ein erhöhtes Infektionsrisiko haben, bleibt nur die Möglichkeit, Corona als Arbeitsunfall anzuzeigen. Im Gegensatz zu den Beschäftigten im Gesundheitsbereich müssen sie genau nachweisen, bei wem sie sich wann auf Arbeit angesteckt haben. Diese Beweisführung ist fast unmöglich. „Die Beweislasterleichterung sollte für alle gelten, die viele Kontakte am Arbeitsplatz haben“, meint Karin Wüst. Sie leitet das dreiköpfige Team der Beratungsstelle Berufskrankheiten und fordert eine Vereinfachung. „Eine Krankheit, ein Verfahren“, sagt sie.

In 105 Fällen halfen Berater

Die Beratungsstelle hat in den zwei Jahren insgesamt 155 Beratungen zum Thema Covid als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall durchgeführt. In 105 Fällen halfen die Berater bei den Antragsverfahren. Die sind kompliziert und ziehen sich oft lange hin. 13-mal haben die Unfallkassen bisher Corona anerkannt. Bei den bisher 20 Ablehnungen sind noch Widersprüche möglich. In den zwei Fällen von einem Lehrer und Sozialarbeiter, die an Corona verstorben sind, konnten die Angehörigen mithilfe der Beratungsstelle Berufskrankheiten eine Anerkennung als Arbeitsunfall erreichen. Sie bekommen jetzt eine Rente ausgezahlt.

Die Beratungsstelle Berufskrankheiten befindet sich im Gebäude der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Oranienstraße 106. Beratungstermine kann man unter Tel. 90 28 26 36 oder über den E-Mail-Kontakt beratungsstelle.bkv@senias.berlin.de vereinbaren.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 693× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 258.000 Haushalte in Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf baut die Telekom Glasfaserleitungen aus.  | Foto: Telekom

Glasfaser-Internet hier im Bezirk
Telekom bietet 258.000 Haushalten einen Anschluss ans Glasfasernetz

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte und Steglitz-Zehlendorf. Damit können nun insgesamt rund 258.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu...

  • Zehlendorf
  • 20.01.25
  • 1.453× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 3.499× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.