Engagement in Zeiten des Coronavirus
Wie wirkt sich die Pandemie auf die Arbeit der Berliner Vereine, Verbände und Organisationen aus?
Der Beschluss des Berliner Senats, ein Hilfsprogramm aufzulegen, zeigt, wie angespannt die Situation in der Engagementszene der Stadt durch Corona ist. Mit fünf Millionen Euro will das Land Berlin gerade die Organisationen unterstützen, in denen das Ehrenamt eine tragende Rolle spielt. Ziel ist es, die Strukturen zu bewahren. Die Berliner Woche fragte drei Organisationen und den Landessportbund nach der Situation ihrer Vereine in Corona-Zeiten.
Stefanie Fichter vom Verein ABqueer: Uns hat die Corona-Pandemie auch eingeschränkt, aber wie es aussieht, scheint die Finanzierung unseres Hauptprojektes durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung nicht gefährdet. Daher sehen wir uns in einer sehr privilegierten Position. Natürlich haben wir aber unsere Arbeit komplett umgestellt und mussten sie an manchen Stellen auch vorerst einstellen. Im Moment ist es aber die Ungewissheit über die Dauer der Einschränkungen, die uns Sorgen macht. Werden unsere Ehrenamtlichen bleiben? Werden wir weiterhin in die Schulen können? Werden wir weiterhin persönliche Begegnung haben? Unser Ansatz fußt auf der sogenannten Kontakthypothese – also einer persönlichen Begegnung zum Abbau von Vorurteilen. Wie wird diese persönliche Begegnung in digitalen Formaten gewährleistet? Es sind also eher Fragen der Digitalisierung, die uns umtreiben. Gleich danach folgt deren Finanzierung und das Halten unserer Eigenmittel, die überwiegend über unsere Veranstaltungen eingespielt werden. (abqueer.de)
Gülcan Nitsch vom Verein Yeşil Çember: Zuerst das Erfreuliche in der Lockdown-Zeit: Die Kohlendioxidemissionen sind deutlich zurückgegangen und die Natur konnte endlich einmal durchatmen! Corona hat jedoch auch die meisten unserer Aktivitäten auf den Kopf gestellt. Von heute auf morgen mussten mehrere geplante Veranstaltungen abgesagt werden, die für uns zentrale Einnahmequellen sind. Vor allem die NGOs mit wenig Rücklagen sind auf staatliche Hilfen angewiesen, ansonsten bröckelt eine der wichtigsten gesellschaftlichen Säulen. Hier ist der Staat in großer Verantwortung und sollte ein gerechtes, bedarfsorientiertes Unterstützungssystem anbieten. Wir hatten als gemeinnützige GmbH das Glück, bereits vor einigen Monaten von dem Sofort-Zuschuss profitieren zu können. Ohne diese Hilfe hätten wir wohl kaum über die Runden kommen können. (yesilcember.eu)
Angela Meyenburg vom Verein „KulturLeben Berlin – Schlüssel zur Kultur“: In finanzieller Hinsicht haben wir keinerlei Einbußen verzeichnet. Bisher ist uns kein Förderer abgesprungen. Für das nächste Jahr sieht es ganz anders aus. Da bibbern wir um laufende Projekte und Neuanträge. Ein häufiger Satz der Geldgeber lautet: „Aufgrund der Pandemie sind wir angehalten zu sparen.“ Das ist natürlich doppelt belastend, da wir einerseits abhängig sind von der Situation unserer Kulturpartner und andererseits aufgrund von Corona unsere Gästezahl zunehmen wird. Corona wird sich merklich auf die Situation des Vereins im neuen Jahr auswirken. Während des Lockdown im Frühjahr haben wir Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um arbeitsfähig zu bleiben. Das heißt, wir haben unsere Datenbank auf Online-Angebote umprogrammieren lassen und unsere angestellten wie auch freiwilligen Mitarbeiter mit Hardware und Software ausgestattet. Mit unseren bisherigen Mitteln wäre es nicht möglich gewesen, weiterhin unseren satzungsgemäßen Auftrag umzusetzen. Ich möchte hier meinen Dank an alle Kulturpartner zum Ausdruck bringen, die seit Juli wieder aktiv Kultur schaffen und Zuschauer empfangen. Trotz weniger Plätze immer noch ein gewisses Kontingent für KulturLeben Berlin und seine Gäste bereitzuhalten, zeugt von großem Anstand und Empathie für die gesamte Berliner Bevölkerung. (kulturleben-berlin.de)
Jens Krüger, Abteilungsleiter Finanzen und Service beim Landessportbund Berlin: Berliner Sportvereine befinden sich wirtschaftlich in einer angespannten Lage. Circa 145 unserer Vereine und Verbände haben bislang beim Landessportbund Berlin Anträge auf Zuschüsse aus dem „Rettungsschirm Sport“ gestellt. Der gemeldete Gesamtschaden beträgt mehr als 3,8 Millionen Euro. 86 Prozent der Einnahmeverluste setzen sich aus weggefallenen Mitgliedsbeiträgen, reduzierten Spenden, entgangenen Kursgebühren, Startgeldern und Nutzungsentgelten zusammen. Rechtlich dürfen gemeinnützige Sportvereine keine bedeutenden Rücklagen bilden. Somit kommt die staatliche Hilfe durchaus zur richtigen Zeit. Ob das Hilfsprogramm für Organisationen und Vereine ausreichen wird, ist abhängig von der weiteren Entwicklung der Pandemie. (lsb-berlin.net)
Autor:Hendrik Stein aus Weißensee |
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