Coming-out ist positiv für den Berliner Fußball

Jörg Steinert, Geschäftsführer beim Lesben- und Schwulenverband, hofft, dass Hitzlspergers Coming-out hilft, weitere Vorurteile abzubauen. | Foto: Nittel
  • Jörg Steinert, Geschäftsführer beim Lesben- und Schwulenverband, hofft, dass Hitzlspergers Coming-out hilft, weitere Vorurteile abzubauen.
  • Foto: Nittel
  • hochgeladen von Michael Nittel

Schöneberg. Mit Thomas Hitzlsperger hat sich der erste prominente Ex-Fußballprofi als homosexuell geoutet. Berliner-Woche-Reporter Michael Nittel sprach mit Jörg Steinert, Geschäftsführer beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, über dieses Coming-out, seine Bedeutung und mögliche Auswirkungen.

Wie war Ihre erste Reaktion?

Jörg Steinert: Zunächst war ich einfach erfreut, weil wir seit Jahren auf so ein selbstbestimmtes Coming-out gewartet haben. Es ist insbesondere für junge Sportler, die sich noch nicht geoutet haben, ein ermutigendes Zeichen, dass ein prominenter Fußballer zu seiner Identität steht und kein Versteckspiel spielen muss.

Wie wichtig ist es, dass sich nun auch ein prominter Fußballer geoutet hat?

Jörg Steinert: Fußball ist in Deutschland wie auch in Berlin die Sportart Nummer eins. Millionen Menschen interessieren sich dafür, um nicht zu sagen: Sie lieben diesen Sport. Auch deshalb ist das Medieninteresse groß. Die Journalisten stellen interessante und kluge Fragen nach Leidensdruck, Diskriminierung und Versteckspiel. Das ist zu begrüßen, weil die öffentliche Diskussion auf die Sportler und die Fankultur eine gute Wirkung haben wird.

Der Kicker, das Fußball-Fachblatt, verweigert sich dieser Berichterstattung, weil es "viel Interessanteres und Wichtigeres zu berichten" gäbe. Verstehen Sie diese Haltung?

Jörg Steinert: Meines Erachtens blendet so eine Haltung die Realitäten aus. Natürlich sind wir im LSVD auch der Meinung, dass die sexuelle Orientierung eines Sportlers nicht entscheidend sein sollte. Aber solange es in Fankurven homophobe Banner und Sprechgesänge gibt, muss auch über so ein Coming-out berichtet werden, weil es hoffentlich dabei hilft, dass Homosexualität auch im Sport bald kein Tabuthema mehr sein wird.

Auch deshalb kooperieren Sie seit mittlerweile drei Jahren mit dem Berliner Fußballverband (BFV)?

Jörg Steinert: Das ist richtig. Wir haben zum Beispiel den Leitfaden "Rote Karte für Homophobie" für Vereine gemeinsam herausgegeben. Darin vermitteln wir Ansprechpartner und geben Handlungsempfehlungen. Über das "Anonyme Postfach" können homosexuelle Fußballer Kontakt zu uns aufzunehmen.

Wie oft wird davon Gebrauch gemacht?

Jörg Steinert: Es sind im Jahr rund 20 Personen, die sich über dieses Postfach zum Thema Homosexualität an uns und den BFV wenden. Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch zwölf Vereine, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Bei über 400 Vereinen, die dem BFV angeschlossen sind, ist das zwar immer noch ein Bruchteil. Aber wir sind zuversichtlich, dass es - auch dank der aktuellen Ereignisse - bald mehr sein werden.

Im Hinblick auf die Olympischen Spiele im russischen Sotschi und den dortigen Umgang mit Homosexualität hört und liest man immer wieder, dass man Sport nicht mit gesellschaftlichen oder politischen Themen überfrachten dürfe. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Jörg Steinert: Das sehe ich anders. Die Olympischen Spiele sollten auch genutzt werden, um Menschenrechtsfragen zu thematisieren. Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Die USA machen es vor, indem sie mit Billie Jean King, eine lesbische Ex-Tennisspielerin, als ihre Botschafterin nach Russland schicken. Vielleicht überlegt sich der Deutsche Olympische Sportbund, Thomas Hitzlsperger als seinen Vertreter zu entsenden. Das wäre das richtige Zeichen.

Wenn das Coming-out Hitzlspergers tatsächlich einen Stein ins Rollen gebracht hat, was sollte dann am Ende dieser Entwicklung stehen?

Jörg Steinert: Es muss zu einer Selbstverständlichkeit werden und darf nicht die Ausnahme sein, dass in jedem Verein, ob in der Kreis- oder in der Bundesliga, homosexuellen Fußballern offen und respektvoll begegnet wird. Aber bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Infos zum Thema und zum Leitfaden "Rote Karte für Homophobie" unter www.berlin.lsvd.de, www.berliner-fussball.de, Kontakt auch: LSVD, Kleiststraße 35, 22 50 22 15.
Michael Nittel / min
Autor:

Michael Nittel aus Reinickendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 388× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 505× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 235× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 372× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.