Per Los zum Klimabürger
Ausgewählte Berliner sollen in einem Beirat Senat und Abgeordnetenhaus Empfehlungen geben
Der Senat hat ein Auswahlverfahren für den „Klimabürger:innenrat“ gestartet. Die Gründung eines Bürgergremiums hatte Rot-Rot-Grün im April beschlossen.
Der „Klimabürger:innenrat“ ist im rot-grün-roten Koalitionsvertrag Teil aus dem 100-Tage-Programm der Regierung. Umwelt- und Klimaschutzsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hat jetzt per Zufallsstichprobe aus dem Melderegister 2800 Berliner angeschrieben und zum Mitmachen aufgefordert. Dem Rat werden 100 Menschen ab 16 Jahren angehören, die aus den Rücksendungen per Algorithmus nach soziodemografischen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss, Wohnbezirk und Migrationserfahrung ausgewählt werden. Die neue Truppe soll wie „eine Art Mini-Berlin die Bevölkerung der Hauptstadt am besten repräsentieren“, heißt es.
Die Gründung eines „Klimabürger:innenrates“ hatte das Abgeordnetenhaus im vorigen Jahr beschlossen. Die Idee dazu hatte die Volksinitiative „Klimaneustart Berlin“. 32.000 Berliner hatten damals ein solches Bürgergremium gefordert. Das Beteiligungsgremium soll bis zum Sommer Empfehlungen für die Klimaschutzpolitik des Landes erarbeiten. Dabei geht es um konkrete Maßnahmen und Ideen, wie man die Klimaziele erreichen könnte. Berlin will spätestens 2045 klimaneutral sein.
Die auserkorenen Klimabürger sollen gemeinsam mit Experten und Wissenschaftlern in insgesamt neun Sitzungen Empfehlungen erarbeiten. Die erste Sitzung des „Klimabürger:innenrates“ ist für Ende April geplant. Diskutiert werden konkrete Maßnahmen in den sogenannten Handlungsfeldern Verkehr, Gebäude, Wärme und Energie. Anhand von Alltagsszenarien sollen die Teilnehmer das Für und Wider von zum Beispiel Gebäudesanierungen oder Fahrverboten diskutieren. Die Empfehlungen werden am Ende in einem Bürgergutachten zusammengefasst und dem Senat und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt.
Bindend sind sie für die Politiker aber nicht. Welche Vorschläge umgesetzt werden, entscheiden am Ende Regierung und Parlament. „Wir werden uns mit den konkreten Empfehlungen sehr sorgfältig beschäftigen und sie angemessen berücksichtigen“, verspricht Bettina Jarasch. „Es sollte sichergestellt werden, dass die Handlungsempfehlungen nicht in der parlamentarischen Schublade verschwinden. Bei Ablehnung einer Empfehlung sollte dies öffentlich begründet werden”, sagt Cornelia Auer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Auch der Verein „Mehr Demokratie“, der einen solchen Klimarat gefordert hatte, drängt auf Beachtung der Bürgerforderungen. „Die Empfehlungen des Bürgerrats müssen am Schluss auch berücksichtigt werden”, sagt „Mehr Demokratie“-Chef Oliver Wiedmann. Der Senat solle sechs Monate nach Abschluss des „Klimabürger:innenrates“ eine Stellungnahme zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen abgeben.
Die vom Senat beauftragten Organisationen wollen auch angeschriebene Personen von „unterrepräsentierten Gruppen“ persönlich besuchen. „Gerade Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss, geringerem Haushaltseinkommen oder mit Migrationshintergrund melden sich seltener auf eine postalische Einladung zurück“, weiß Christine von Blanckenburg vom Beteiligungsinstitut Nexus.
„Im Klimabürger:innenrat geht es darum, die von den Entscheidungen betroffenen Bürger in die Gestaltung ihrer Zukunft einzubeziehen“, sagt Professor Ortwin Renn vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS Potsdam, das den Rat wissenschaftlich begleitet. „Der Klimawandel erfordert nicht nur technische Veränderungen, sondern auch Änderungen von Verhaltensweisen und Lebensstilen“, erklärt Renn. Bisher lasse sich die Politik nur von Experten beraten. „Mit dem Klimabürger:innenrat holt sich die Politik nun ganz bewusst Beratung seitens der Berliner Bevölkerung.“
Weitere Informationen unter www.berlin.de/klimabuergerinnenrat.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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