„Das reicht uns nicht!“
Initiative wirBerlin fordert von Senat und Bezirken Maßnahmen gegen dramatische Vermüllung

Große Saubermachaktion anlässlich des Cleanup Days am 17. September zum Beispiel im Strandbad Plötzensee. | Foto:  wirBerlin gGmbH
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  • Große Saubermachaktion anlässlich des Cleanup Days am 17. September zum Beispiel im Strandbad Plötzensee.
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Das aus einer Bürgerinitiative hervorgegangene gemeinnützige Unternehmen wirBerlin erhöht im Kampf gegen Dreck und Müllchaos den Druck auf die Politik.

Am Wochenende vor den Wahlen haben über 5000 Berliner anlässlich des World Cleanup Days bei Putzaktionen freiwillig mit Greifzange und Mülltüte in Parks und Kiezen saubergemacht. Organisiert werden die Einsätze seit Jahren von wirBerlin. In einem Brandbrief unter dem Titel „Berlin reicht’s!“ hatte wirBerlin im Juni zusammen mit 17 Cleanup-Initiativen Senat und Bezirke aufgefordert, dringend etwas gegen das Müllchaos zu tun. Mehr Informationen und moderne Orientierungshilfen in den Parks, mehr Mülleimer, Durchsetzung der Bußgelder gegen Müllsünder, Druck auf die Verursacher von Müll wie Pizzakartons (Mehrweg statt Einweg in der Gastronomie) und Parknutzungskonzepte waren die zentralen Forderungen im offenen Brief.

Nach vielen Gesprächen in den Rathäusern und schriftlichen Antworten fällt das Zwischenfazit ernüchternd aus. „Das reicht uns nicht!“, sagt Christian Tegge von wirBerlin. Die Politiker hätten vor allem auf fehlende Gelder, zu wenig Personal und blockierendes Gerangel um Zuständigkeiten hingewiesen. Die Initiative will den Druck weiter erhöhen, damit die neue Regierung das Müllproblem zur Chefsache macht. „In keiner anderen Stadt ist es so dreckig wie in Berlin“, meint Projektleiter Sebastian Weise. Das Engagement gegen die Vermüllung sei in den Bezirken unterschiedlich. Die Initiative wolle aber keinen an den Pranger stellen und habe kein „Bezirksranking gemacht“, sagt Weise. Als positives Beispiel nennt er den Bezirk Neukölln, für den seine Initiative einen Park-Knigge entwickelt hat. Die mehrsprachige Broschüre mit sechs Piktogrammen soll die Leute motivieren, ihren Müll mitzunehmen. „Wir brauchen moderne zeitgemäße Beschilderungen, wo der nächste Mülleimer oder die Toilette ist“, so Weise. Doch so etwas gebe es nicht. In Wien machen zum Beispiel witzige Schilder wie „Sind dir auch 50 Euro Wurst?“ darauf aufmerksam, dass liegen gelassene Hundehaufen teuer werden.

Der Senat hat zwar die Bußgelder verschärft, doch erwischt und zur Kasse gebeten werde kaum ein Umweltsünder, heißt es in dem Zwischenfazit unter der Forderung „Bußgelder als Signal“. Wer Kippen, Plastiktüten, Einwegbecher, Kaugummis oder Plastikflaschen irgendwo hinschmeißt und erwischt wird, muss mit Geldbußen zwischen 80 und 120 Euro rechnen. „Doch das weiß keiner“, sagt Weise und fordert aktivere Informationen. Für die Ordnungsamtsleute sind wegen gerichtsfester Beweise Verfolgung und Ahndung extrem schwer, haben die Bezirke unisono den Müllaktivisten berichtet. Zudem seien zusätzlich eingestellte Waste Watcher (Abfallwächter), die auch in Zivil nach Müllsündern fahnden sollen, wegen der Pandemie woanders eingesetzt gewesen. Die Mitarbeiter trauten sich auch kaum jemanden abzukassieren, weil sie Angst vor gewalttätigen Reaktionen hätten, heißt es. „Eine Intensivierung von Kontrolle im öffentlichen Raum ist in vielen Bezirken politisch nicht gewollt. Viele Bezirksbürgermeister wollten unter keinen Umständen den Eindruck staatlicher Überwachung erwecken“, heißt es im Bericht von wirBerlin. Die Verantwortlichen setzten auf Eigenverantwortung jedes Einzelnen und wollen lieber Parkläufer losschicken, die nett „vor Ort aufklären und sensibilisieren“.

Beim Cleanup Day haben viele Initiativen in Parks und Kiezen aufgeräumt. | Foto: wirBerlin gGmbH
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Die Vermüllung des öffentlichen Raums hätten dramatische Ausmaße angenommen, die Maßnahmen der öffentlichen Hand reichten nicht aus, moniert wirBerlin. „Die Politik muss jetzt entgegensteuern“, sagt Sebastian Weise. Maßnahmen für Mehrwegverpackungen müssten unterstützt werden. „Manche Bürgermeister verweisen darauf, dass sie auf bezirklicher Ebene keinerlei Handhabe hätten“, allerdings gebe es „vereinzelt andere Bezirke, die zum Beispiel Mehrweg-Beratungen für die Gastronomie anbieten und Pilotprojekte speziell für die Pizza außer Haus anstoßen und ausprobieren“.

WirBerlin fordert, „dass Berlins Müllproblem zügig, deutlich konsequenter und lösungsorientiert angegangen wird“. Ausreichend moderne Müllbehälter müssten überall aufgestellt werden; Sperrmüllaktionstage sollen ausgebaut werden. Außerdem sollen die Bürger und Initiativen mehr einbezogen werden. Ämter, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen an Runden Tischen gemeinsam auf Augenhöhe Lösungen erarbeiten, fordert wirBerlin.

Alle Informationen zum Offenen Brief, den Forderungen und das ausführliche Zwischenfazit kann man auf wir-berlin.org/offener-brief nachlesen.

Große Saubermachaktion anlässlich des Cleanup Days am 17. September zum Beispiel im Strandbad Plötzensee. | Foto:  wirBerlin gGmbH
Beim Cleanup Day haben viele Initiativen in Parks und Kiezen aufgeräumt. | Foto: wirBerlin gGmbH
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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