Jeder zweite Baum ist krank
Klimawandel, Hundeurin und Bauarbeiten machen den Straßenbäumen in der Innenstadt zu schaffen
Den Straßenbäumen in der Innenstadt geht es immer schlechter. Erstmals sind seit Beginn der Untersuchungen mehr als die Hälfte aller Bäume geschädigt.
Das geht aus dem aktuellen Straßenbaum-Zustandsbericht 2020 hervor. Die Umweltverwaltung spricht von einer „massiven Verschlechterung der Baumgesundheit in den vergangenen Jahren“. Die Schäden werden immer mehr. Als Ursache werden Klimawandel und Stadtstress genannt. Die Bäume haben wie auch Berlins Wälder vor allem in den Hitzesommern 2018 bis 2020 stark gelitten. Es gibt auch genug andere Faktoren, die die Straßenbäume stressen: Schäden durch Bauarbeiten, Verätzungen durch Hundeurin, Verkehrsunfälle, Bodenversiegelungen sowie Tausalz im Winter. Laut Bericht haben „vor allem Bauarbeiten und Verkehr seit 1990 stark zugenommen, was immer mehr Bäume leiden oder gar absterben lässt“, heißt es.
Untersucht werden die Straßenbäume in Berlins Innenstadtlagen seit 1979 alle fünf Jahre. Dazu werden mit Flugzeugen Luftbilder mit Colorinfrarot (CIR) gemacht. Untersucht werden Linden, Ahorne, Rosskastanien und Platanen, die drei Viertel des Straßenbaumbestandes in der Innenstadt ausmachen. Experten bewerten anhand der Luftbilder den Vitalitätszustand der Kronen und vergleichen Laubfarbe, Blattmasse oder Kronenform mit sogenannten Referenzbäumen. Für die Studie werden einige Bäume in Stichprobengebieten ausgewählt, bewertet und auf den Gesamtbestand hochgerechnet. Als Innenstadt gilt für die Baumuntersucher das Gebiet innerhalb des S-Bahn-Ringes sowie die dicht bebauten Alt-Bezirke Steglitz, Weißensee, Pankow und Wedding.
56 Prozent der Bäume haben Schädigungen der Stufen zwei bis vier (leicht bis extrem geschädigt). Nur noch 44 Prozent sind in Berlins Innenstadt komplett gesund (Stufe eins). 2015 wurden noch 52 Prozent aller Straßenbäume als nicht geschädigt eingestuft. Der schon damals aufgezeigte negative Trend setzt sich fort. Den Linden geht es noch am besten; hier sind rund 56 Prozent ohne Schäden und haben die beste Kronenvitalität (2015: 60 Prozent). Es folgen die Platane mit einem Anteil von 30 Prozent gesunder Bäume, Ahorn (29 Prozent) und Rosskastanie (elf Prozent).
Der Zustand der Straßenbäume zeigt laut Umweltsenatorin Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen), „dass die Erderhitzung in Berlin angekommen ist“. Deshalb stelle der Senat „deutlich mehr Geld für die bezirkliche Baumpflege bereit“. Zukünftig sollen vermehrt Baumarten gepflanzt werden, die dem Klimastress besser gewachsen sind und Hitze- und Trockenperioden überleben können. Der Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) erforscht im Rahmen von Testreihen klimaresiliente Baumsorten wie den Persischen Eisenholzbaum. An mehreren Straßenstandorten in einigen Bezirken stehen die genügsamen Bäume schon.
Für die Pflege der Straßenbäume bekommen die bezirklichen Grünflächenämter mehr Geld. Mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 wurden die Mittel mit rund 37 Millionen Euro im Jahr nahezu verdoppelt. Außerdem bekommen die Bezirksämter seit Herbst 2017 etwa 23 Millionen Euro an Sondermitteln für zusätzliche Wässerungen gerade von Jungbäumen. Die Bezirke bekommen seit 2012 auch neue Straßenbäume aus der mit Spenden und Steuergeldern finanzierten Stadtbaumkampagne. Bisher konnten mehr als 12.000 zusätzliche Straßenbäume (225 Baumsorten) gepflanzt werden. In diesem Herbst sollen weitere 700 Bäume hinzukommen. Insgesamt gibt es in der Hauptstadt rund 430.000 Straßenbäume. Aufgrund von Trockenheit, Schädlingsbefall oder Verletzungen an Rinde und Wurzelwerk mussten in den vergangenen Jahren viele Straßenbäume gefällt werden. Etliche konnten aus finanziellen Gründen bisher nicht ersetzt werden.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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