Aufruhr in der „Grünen Schleife“
Anwohner wehren sich gegen Aufhebung der Einbahnstraßenregelung
Nach 65 Jahren soll der Verkehr wieder in beiden Richtungen durch das Wohngebiet gegenüber dem BND-Neubau rollen. Der Bezirk will die Einbahnstraßenregelung in der Schwartzkopff-, Pflug- und Wöhlertstraße aufheben.
"Grüne Schleife" nennt sich die Kiezinitiative, die seit vier Jahren für eine Verkehrsberuhigung in ihrem Wohnviertel an der früheren Zonengrenze kämpft. Sie beschreibt sich als Initiative für „Verkehrsberuhigung, Kinder- und Fahrradfreundlichkeit, Barrierefreiheit, Begrünung und Bürgerbeteiligung in Berlin Mitte“.
In der Schleife war früher die Welt zu Ende, zumindest für die Ostberliner. Der Block zwischen Chaussee-, Schwartzkopff-, Pflug- und Wöhlertstraße war der letzte vor der Grenze. Es war dort ziemlich ruhig. Im Nordosten verlief die Mauer am Friedhof entlang. Und auch die Schwartzkopffstraße endete an einem Wendehammer. Die Durchfahrt zur Caroline-Michealis-Straße ist heute noch mit Pollern versperrt.
Doch in der Schleife ist es seit Jahren alles andere als ruhig und gemütlich. Wegen der vielen Baustellen vor allem entlang der Chausseestraße herrscht dort Parkchaos; Lkw stehen in der zweiten Reihe. Jetzt will der Bezirk die jahrzehntelange Einbahnstraßenregelung zum 1. Dezember aufheben. Anwohner laufen dagegen Sturm, weil sie weiter zunehmenden Verkehr und Chaos befürchten.
Bezirksamt ließ Straßenschilder entfernen
Das Bezirksamt hat am 8. November die Einbahnstraßenschilder demontieren lassen. Die Aktion widerspreche komplett den Leitlinien der Bürgerbeteiligung, sagt die Sprecherin der Kiezinitiative, Nora Erdmann. Nach massiven Protesten wurden sie am 12. November vorerst wieder angeschraubt. Aber nur bis zum 1. Dezember. Denn dann soll im Kiez die Parkraumbewirtschaftung starten. Die zuständige Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) rechnet nach dem Scharfschalten der Parkuhren „mit einem erheblichen Rückgang der Parkplatzsuchenden“. Die Aufhebung der Einbahnstraße sei deshalb auch kein Problem, lautet das Argument.
Außerdem, so Weißler, „ist der Grund für die Einrichtung der Einbahnstraße entfallen“. Bis 2013 befuhr die Straßenbahn die Chausseestraße Richtung Norden und wendete in der Schleife. Wegen der Tram wurde bereits vor 65 (!) Jahren die Schleife zur Einbahnstraße. „Einbahnstraßen bedürfen der besonderen Begründung wie zum Beispiel eine besondere Enge. „Die ist hier nicht gegeben“, so Weißler. Warum das Bezirksamt die Schilder nicht schon 2013 demontiert hat, als die Tramstrecke stillgelegt wurde, begründet Weißler mit der BND-Baustelle. Der Bezirk wollte warten, bis die Geheimdienstburg fertig ist, „um den Bereich nicht zusätzlich verkehrlich zu belasten“.
Nach heftigem Twitter- und E-Mail-Shitstorm der Kiezinitiative hat sich Weißler am 13. November mit Sprecherin Nora Erdmann und weiteren Anwohnern am Ort getroffen. Dabei waren auch Johannes Schneider und Oliver Kociolek von den Grünen sowie Sonja Kreitmair und Vera Morgenstern von der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Initiative fordert Bestandsschutz für die Einbahnstraße und will ein noch viel weitergehendes Konzept für die „Grüne Schleife“ mit Verkehrsberuhigung, verengten Straßenzufahrten und viel Grün, erklärt Nora Erdmann. Der Wendehammer soll grüner Stadtplatz mit Bänken und Spielplatz werden, so die Idee.
Verkehrsberuhigung mit Pflanzkübel
Sabine Weißler hat bei dem Vor-Ort-Termin zugesagt, den Erhalt der Einbahnstraße rechtlich zu prüfen. In den kommenden Monaten sollen die Effekte nach dem Wegfall der Einbahnstraße bewertet werden. Die Initiative ist dagegen und macht unter anderem mit einer Einwohneranfrage auf der November-BVV weiter Druck. Die SPD fordert zudem in einem Antrag den Erhalt der Einbahnstraßenregelung.
Nora Erdmann will die Schleife zum Vorbildkiez für „Verkehrsberuhigung, Barrierefreiheit, Grün und Bürgerbeteiligung“ machen. Der Wohnkiez am BND sei dafür besonders geeignet. Um den „Speed aus der Straße zu nehmen“, könnten erst einmal Pflanzkübel auf die Straße gestellt werden. Genaue Konzepte will die Initiative gemeinsam mit dem Bezirk und der Politik erarbeiten.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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