Das Wunder von Berlin
Der Lückenschluss der U-Bahnlinie U5 zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor ist geschafft
Zehn Jahre nach dem ersten Spatenstich fährt am 4. Dezember um 12.08 Uhr die erste U-Bahn der Linie U5 von Hönow bis zum Hauptbahnhof. Damit ist das BVG-Großprojekt „Lückenschluss U5“ zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor beendet.
Putzkolonnen polieren den Boden, Handwerker erledigen noch Restarbeiten. Seit vier Wochen fahren schon leere U-Bahnen durch die drei neuen Bahnhöfe der U5-Verlängerung vom Alex zum Brandenburger Tor. Die Fahrer üben die neue Strecke, die am 4. Dezember in Betrieb geht. Jörg Seegers, Geschäftsführer Technik der von der BVG für das Großprojekt gegründeten U5-Projektgesellschaft, wollte diesen Eröffnungstermin. Denn der 4. Dezember ist der Tag der Tunnelbauer, der Namenstag der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. „Das haben wir jedes Jahr gefeiert“, sagt Seegers, für den sein größtes Bauprojekt in seinem Ingenieursleben zu Ende geht. Der 58-jährige Diplom-Geologe aus Göttingen hat schon als Berater und Planer bei U-Bahnprojekten in Amsterdam, Köln und Bochum gearbeitet und die geotechnische Beratung für die Start- und Landebahn des BER gemacht, aber nie zuvor so ein Megaprojekt wie die City-U-Bahn komplett verantwortet.
Für die zwei Tunnelröhren der 2,2 Kilometer langen Strecke hat sich jahrelang die Tunnelbohrmaschine Bärlinde unter Spree und Kupfergraben entlang des Boulevards Unter den Linden vom Marx-Engels-Forum bis zum Brandenburger Tor gewühlt. Sechs Mann bedienten das Metallmonster - einen Riesenmaulwurf mit gigantischem Schneidrad von 6,70 Meter Durchmesser. Im Bergbau gibt es immer wieder Unfälle. Seegers ist deshalb stolz darauf, dass „wir fast verletzungsfrei durchgekommen sind“. Von den Hunderten Arbeitern, die in den vergangenen zehn Jahren auf den U5-Baustellen geackert haben, hat sich höchstens mal einer „auf den Daumen gehauen oder in den Finger gesägt“, so der Projektleiter.
U-Bahnhof Museumsinsel erst im Sommer fertig
Seegers Team habe auch zeigen können, „dass Großprojekte vernünftig im Zeit- und Kostenrahmen beendet werden können“, wie er sagt. Ganz im Rahmen blieb es nicht. Denn ursprünglich waren Kosten von 433 Millionen Euro und die Inbetriebnahme 2017 geplant. Zuletzt wurden Gesamtkosten von 525 Millionen Euro genannt, die sich noch ein wenig nach oben verändern können, weil der aufwendigste U-Bahnhof Museumsinsel erst im Sommer fertig wird. Bis dahin halten die Bahnen dort noch nicht.
Bei Berlins erster U-Bahn, deren Tunnel unter Tage gegraben wurde, gab es auch unvorhersehbare Hindernisse. Seegers erinnert sich an den Riesenfindling aus der Eiszeit, auf den man beim Bau des neuen Umsteigebahnhofs Unter den Linden gestoßen ist. Wochenlang musste Stein bearbeitet werden. Dabei gingen „Bohrkronen ohne Ende“ kaputt, sagt Seegers. Das Ganze hat Zeit und eine Million Euro Mehrkosten gefordert. Eine Havarie gab es 2014, als vor dem Schneidrad des Tunnelbohrers am Verbindungsbauwerk zur U55 am Brandenburger Tor mehrere Kubikmeter Erdreich eingebrochen waren. „Da hat’s geknallt“, so Seegers. Weitere Gutachten, Streitereien mit Baufirmen und auch archäologische Funde am Roten Rathaus hatten das gesamte Projekt immer wieder verzögert.
Im Hauptstadtvertrag festgelegt
Jetzt ist der Lückenschluss komplett. Das Teilstück zwischen Brandenburger Tor und Hauptbahnhof wurde bereits 2009 als U55 eröffnet. Als „Stummelbahn“ oder „Kanzlerbahn“ pendeln die Züge seitdem hin und her. Berlin wollte das Projekt mehrmals aus Kostengründen komplett abbrechen. Doch laut Hauptstadtvertrag zwischen Land und Bund musste die U5 komplett gebaut werden, um das Regierungsviertel an das U-Bahnnetz anzubinden. Im Vertrag steht, dass der Lückenschluss bis 2010 beginnen und spätestens 2020 beendet werden soll. Das nennt man wohl eine Punktlandung.
Für den Lückenschluss wurden die drei neuen Bahnhöfe Unter den Linden, Museumsinsel und Rotes Rathaus gebaut. Architekten haben dafür moderne Hallen entworfen. Der Bahnhof Rotes Rathaus mit 3000 anthrazitfarbenen Steinplattenfassaden und sieben markanten, pilzförmigen Deckenstützen ist ein Hingucker wie auch der U-Bahnhof Museumsinsel, der 16 Meter unter dem Spreekanal liegt. Das aufwendigste Bauwerk ist noch nicht ganz fertig. Die Züge halten dort erst im kommenden Sommer. Den schönen Bahnsteig mit dem blauen Sternenhimmel, an dem 6662 Lichtpunkte strahlen, können die Fahrgäste aber bereits jetzt bei der Durchfahrt sehen. Jörg Seegers findet den größten U-Bahnhof Unter den Linden am schönsten. „Das hat ein bisschen London-Flair mit den langen Treppen“, sagt Seegers. Der Umsteigebahnhof zwischen U5 und U6 unter der Kreuzung Friedrichstraße und Unter den Linden wirkt wie eine riesige Halle.
Ein bisschen Wehmut
Die von der BVG 2014 gegründete U5-Projektgesellschaft wurde in diesem Jahr in BVG Projektgesellschaft umbenannt. Jörg Seegers und sein Team kümmern sich zukünftig um diverse Bauvorhaben der BVG. Sein nächster Job wird der Bau des neuen BVG-Ausbildungszentrums am Machandelweg in Charlottenburg nahe dem U-Bahnhof Olympiastadion. Ein bisschen Wehmut sei schon dabei, „dass die U5 jetzt Geschichte ist für uns“, so der Ingenieur. „Vielleicht haben wir ja die Chance, die U7 zum BER zu bauen. Es wäre wunderschön, wenn Berlin das macht, weil die Anbindung des Hauptstadtflughafens eine wichtige Sache ist.“
Alle Infos zur U5, Baugeschichte und den neuen Bahnhöfen unter www.projekt-u5.de.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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