"Flaniermeile" verbannt die Radler
Senat kündigt Gestaltungswettbewerb für die Friedrichstraße an
Der Verkehrsversuch "Flaniermeile Friedrichstraße" wird erneut angepasst. Im bereits für Autos gesperrten Teilabschnitt soll das Radfahren künftig nicht mehr möglich sein. Stattdessen soll die Friedrichstraße zur Fußgängerzone werden.
Auf der Friedrichstraße soll das rund 500 Meter Teilstück zwischen Leipziger und Französischer Straße künftig Fußgängern vorbehalten bleiben. Der gelb markierte Radweg mittig der Straße kommt wieder weg. So sieht es das „verkehrliche Nahbereichskonzept“ vor, das die Senatsmobilitätsverwaltung nebst Auswertung des Verkehrsversuchs „autofreie Friedrichstraße“ kürzlich vorgestellt hat. Fußgänger würden in der Friedrichstraße künftig im Zentrum stehen, sagt Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). „Wir definieren den Begriff Flaniermeile neu, schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität und helfen so auch dem Einzelhandel am Ort.“ Zwar hat die Auswertung des Verkehrsversuchs laut Senatsverwaltung eine „sehr hohe Zufriedenheit von Passantinnen und Passanten mit der Aufenthaltsqualität in einer autofreien Friedrichstraße“ ergeben. So wünschten sich vier von fünf Befragten eine dauerhafte Sperrung der Friedrichstraße für Autos. Die Idee einer Flaniermeile habe aber vor allem wegen des breiten Radwegs bisher nicht funktioniert. „Daher wird der Radweg herausgenommen.“ Radfahrer sollen künftig auf der parallelen Charlottenstraße fahren, die zur Fahrradstraße werden soll. Geschäfte und Parkhäuser bleiben laut Konzept aber für Autos und Lieferfahrzeuge erreichbar.
Sobald das Bezirksamt Mitte die beantragte Teileinziehung der Friedrichstraße genehmigt hat, also die dauerhafte Herausnahme des Autoverkehrs, sollen Radspur und Baustellenbarken verschwinden. Folgen wird dann laut Senat ein Gestaltungswettbewerb für das gesamte Areal bis zum Gendarmenmarkt. „Wir werden die Friedrichstraße und ihre Umgebung zu einem attraktiven, modernen und grünen Stadtraum entwickeln, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft“, kündigt Jarasch an. Ein genauer Zeitpunkt des Baubeginns steht wegen des komplexen Verfahrens noch nicht fest.
Neuerliche Kritik kommt vom Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße!“. Das nimmt die neuen Ideen der Senatorin „mit Sorge zur Kenntnis“ und fordert nach wie vor ein schlüssiges Konzept für den gesamten Bereich der Friedrichstraße und den Stopp des Verkehrsversuchs. „Ausschließlich Fahrradfahrer durch die Charlottenstraße fahren zu lassen, ist durchaus sinnvoll, weil sie damit von Kreuzberg bis zum Schiffbauerdamm geschützt fahren könnten“, sagt Anja Schröder, Inhaberin eines Weinhandels in der Charlottenstraße. „Was allerdings nur möglich ist, wenn die Friedrichstraße wenigstens als Einbahnstraße geöffnet wird. Für den Lieferverkehr und für die Zufahrt zu den Hotels und Parkhäusern. Außerdem zweifelt das Aktionsbündnis die Zahlen der Senatsverwaltung aus dem Verkehrsversuch an. So hätte eine unabhängige Datenauswertung der Plattform „PlaceSense“ belegt, dass die Besucherfrequenz in der Friedrichstraße seit der Einführung des Verkehrsversuchs um 33 Prozent zurückgegangen und damit gescheitert sei. Eine eigene Umfrage vom Aktionsbündnis unter den Anrainern der Friedrichstraße und den angrenzenden Straßen hätte zudem gezeigt, dass der Einzelhandel stark unter dem Pilotprojekt leide.
Der Verkehrsversuch "Flaniermeile Friedrichstraße" hatte im August 2020 begonnen. In der Mitte der Friedrichstraße sind Autos seitdem tabu. Senat und der Bezirk Mitte verfolgten mit der Verkehrsberuhigung mehrere Ziele: bessere Luft, weniger Lärm, eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raums und mehr Attraktivität fürs Shopping. Die erste Projektphase der "Flaniermeile" kostete den Steuerzahler bis Ende 2021 rund eine Million Euro.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.