Blick in einen Fluchttunnel: Berliner Unterwelten bauen unterirdischen Gang an der Bernauer Straße
Mitte. Im Dunkeln auf allen Vieren durch Schlamm und Sand: Fluchthelfer haben unter den Grenzanlagen an der Bernauer Straße insgesamt sieben Fluchttunnel gegraben. Reste eines 1971 verratenen Tunnels können Besucher ab Sommer besichtigen.
Über zwei Meter hoch werden die Betonsegmente sein, die die Mauer- und Grenzexperten vom Berliner Unterwelten-Verein in den kommenden Wochen verlegen. In sieben Metern Tiefe graben sich Berlins Maulwürfe an einen Fluchttunnel heran, der 1971 verraten wurde. Nur wenige Meter fehlten, dann entdeckten Stasi und Grenzer damals das Bauwerk. Die wochenlange Schinderei der Fluchthelfer Ulrich Pfeifer, Hasso Herschel und ihrer Untrstützer war dahin; der Tunnel im Todesstreifen wurde im Februar 1971 vom VEB Spezialtiefbau aufgegraben und größtenteils verfüllt.
Mit dem Besuchertunnel, der als 30 Meter langer Rundgang gestaltet wird, ermöglichen die Unterwelten-Pioniere erstmals einen Blick in einen originalen Fluchttunnel. Durch eine Glasscheibe können die Besucher zukünftig in den historischen Bau blicken: stehend und aufrecht, nicht wie früher die Fluchthelfer und Flüchtlinge auf Knien kriechend.
Insgesamt 200 000 Euro wird der Besuchertunnel kosten, den der Unterwelten-Verein „vorwiegend authentisch“ mit Schippen und Karren, ohne bergmännische Hightech-Geräte graben wird, wie Dietmar Arnold sagt. Für den Chef des Berliner Unterwelten-Vereins ist der Bau des Besuchertunnels das „aktuell wichtigste Projekt“. Mit der neuen Attraktion der Tour „M – Mauerdurchbrüche“ sei der Verein „der einzige, der seinen Gästen einen echten Fluchttunnel präsentieren kann“, so Arnold.
Einstieg wird im Keller der früheren Oswald-Berliner-Brauerei in der Brunnenstraße 143 sein. Dort endet auch der 30 Meter lange Rundweg. Der Berliner Unterwelten e.V. hatte den Brauereikeller bereits 2011 angemietet und bis Ende 2014 mehr als 2000 Kubikmeter Schutt entsorgt, mit denen die tiefliegenden historischen Brauereigewölbe – wie im grenznahen Bereich üblich – verfüllt waren. In dem Keller gibt es seit 2015 einen Ausstellungsraum mit Mauerfotos und zwei Fluchttunnelmodelle im Originalmaßstab. Die Besucher können im freigelegten Brauereibrunnen auf den sehr niedrigen Grundwasserspiegel blicken. Nur dadurch war es den Fluchthelfern seinerzeit überhaupt möglich, so tiefe Tunnel zu graben. DJ
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.