Energiepreise steigen: Berlin sucht nach einem Ausweg
Meine alte Waschmaschine macht mir Sorgen. Genauso Computer und Laptop, die oft gleichzeitig laufen. Gleich werde ich erfahren, wie schlimm es um meine Energiebilanz steht. Da die Strompreise immer weiter klettern, will ich wissen, an welcher Stelle ich sparen kann. Ich habe einen Termin mit Birgit Holfert. Sie ist Energieberaterin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen und berät jeden, der etwas gegen Stromfresser unternehmen will.
Dringend nötig ist dies mittlerweile für viele, denn die Kosten steigen unaufhörlich - allein zum Beginn des Jahres um über zehn Prozent. Zwar bemühen sich verschiedene Initiativen in Berlin, den Anstieg zu stoppen und der Senat möchte die Energieversorgung umkrempeln. Er will das Stromnetz zurückkaufen und plant ein Öko-Stadtwerk. Dass die Stromkosten so dauerhaft sinken, bezweifeln Experten aber.
Experten sind skeptisch
So ist auch Birgit Holferts Kollege Holger Krawinkel, der den Fachbereich "Bauen, Energie, Umwelt" leitet, skeptisch. "Die Preise werden nicht sinken, nur weil der Senat das Stromnetz zurückkauft, denn die Netzentgelte sind fest reguliert und kaum beeinflussbar", erklärt Krawinkel. Neben den Netzentgelten machen Abgaben und Steuern über 50 Prozent der Kosten aus. Der Rest ist der eigentliche Strompreis, der an der Börse entsteht. Doch obwohl der Börsenpreis seit einiger Zeit sinkt, würden Energieanbieter die geringeren Kosten bislang nur unzureichend an die Verbraucher weitergeben.
Helfen kann aus Krawinkels Sicht der Vorschlag eines neuen Stadtwerks, das die Preise besser kontrolliert. Doch als Garantie für Preissenkungen sieht er es nicht an. "Das neue Stadtwerk stünde mit allen anderen Stromanbietern im Wettbewerb und müsste ebenso Gewinne erwirtschaften", gibt er zu bedenken.
Auch Verbraucher in der Verantwortung
Spielraum, die Kosten zu senken, hat allerdings nicht nur die Politik. Als Verbraucher kann man das Thema auch in die Hand nehmen. Aber wo kann ich sparen? Birgit Holfert kommt in die Wohnung und geht gleich dorthin, wo ich die Stromfresser selbst vermute: in die Küche zur Waschmaschine. "Ja, die ist wirklich alt, aber bei Waschmaschinen ist das nicht so schlimm, solange man sie richtig voll packt und nur, wenn es nötig ist, ganz heiß wäscht", sagt die Energieberaterin. Da ich keinen Trockner benutze und meinen Kühlschrank regelmäßig abtaue, bekommen die Geräte erst einmal ganz gute Noten.
Als wir die Küche schon fast verlassen haben, entdeckt Birgit Holfert aber doch etwas: der Anschaltknopf der Kaffeemaschine leuchtet rot. "Fassen Sie das Gerät mal an", fordert sie mich auf und holt ein Messgerät aus der Tasche. Die Maschine fühlt sich warm an. Damit sie auf Knopfdruck heißen Kaffee ausspucken kann, braucht sie ununterbrochen Strom. Beim Aufheizen sogar 430 Watt, im Stand-by-Betrieb etwas weniger.
Ausführlicher Bericht
Birgit Holfert trägt alles, was ihr auffällt, in einen Tablet-PC ein. Nach der Beratung werde ich einen ausführlichen Bericht bekommen. Dann steuert sie das Wohnzimmer an und geht direkt auf den Fernseher zu. "Bei den Haushaltsgeräten achten schon viele auf die Energieeffizienz, aber nicht wenn es um die Unterhaltungselektronik geht", erzählt sie und nickt meinem kleinen Flachbildschirm zu. Gleich daneben liegt mein Handyladegerät und damit die nächste Überraschung. Solange das Netzgerät in der Steckdose steckt, zieht es Strom, lerne ich - egal, ob das Handy gerade geladen wird oder nicht.
Fazit: Insgesamt habe ich zwar gar nicht viele Stromfresser in der Wohnung. Aber statt alter Geräte, die wahnsinnig viel verbrauchen, ist es die Masse an elektrischen Geräten, die ständig gleichzeitig laufen und negativ zu Buche schlagen. Einen Pluspunkt bekomme ich aber noch, denn den Stromanbieter habe ich bereits gewechselt. Ich beziehe Ökostrom und bediene damit einen Trend, auf den immer mehr Berliner achten. So hat eine Umfrage kürzlich ergeben, dass es 61 Prozent der Berliner wichtig ist, dass Strom umweltschonend erzeugt wird. Ähnlich sehen das auch der Senat, der Energietisch, der gerade erreicht hat, dass im September über die Wiederverstaatlichung des Stromnetzes abgestimmt wird, und die Energiegenossenschaft "BürgerEnergie Berlin". Sie alle arbeiten daran, dass das Stromnetz der Hauptstadt ab 1. Januar 2015 nicht mehr zum Großkonzern Vattenfall gehört. Und sie alle haben sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energie stark zu erhöhen.
Auf die Entwicklung keinen Einfluss
Damit kommt ein weiterer Aspekt ins Spiel, der Einfluss auf die Strompreise hat. Denn auch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien - wie ihn die Bundesregierung im Zuge der Energiewende beschlossen hat - steigen die Strompreise. Bislang konnten sich die Bundespolitiker noch nicht auf eine weitere Kürzung der Fördergelder - die sogenannte EEG-Umlage - einigen, die jeder Bürger über den Strompreis mitbezahlt. Mit Landesgesetzen kann der Senat auf diese Entwicklung keinen Einfluss nehmen. Doch er möchte mit den Konzessionen für das Stromnetz und dem neuen Öko-Stadtwerk dafür sorgen, dass die Energiewende in Berlin nicht an genau den Punkten scheitert, die immer wieder in die Kritik geraten: der Anpassung der Stromnetze an die erneuerbaren Energiequellen.
"Wir wollen eine wirkliche Energiewende, also brauchen wir mehr erneuerbare Energien, auch durch ein landeseigenes Stadtwerk. Und wir wollen mit den Konzessionen in Landeshand auch über die Netze Berlin fit machen für die Energiewende", sagt Daniela Augenstein, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Wer künftig die Stromversorgung sichert, wird das Bewerbungsverfahren um das Netz zeigen. Berlin ist mit dem Landesunternehmen "Berlin Energie" im Rennen.
Ende 2014 laufen die Verträge zwischen Berlin und Vattenfall aus. Als Nachfolger stehen verschiedene private Energieunternehmen, darunter auch die Vattenfall-Tochter "Stromnetz Berlin", das neue Landesunternehmen "Berlin Energie" und die Energiegenossenschaft "BürgerEnergie Berlin" bereit. Pläne für eine Wiederverstaatlichung und zusätzlich für die Gründung eines neuen Stadtwerks haben dabei sowohl der Senat mit "Berlin Energie" als auch der Energietisch Berlin, ein Zusammenschluss verschiedener Initiativen. Um seine Pläne durchzusetzen, hat der Energietisch einen Volksentscheid durchgesetzt. Der Termin steht noch nicht fest.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Pläne vor allem darin, dass der Senat sich neben dem Stromnetz auch um das Gasnetz bewirbt. Zusätzlich möchte der Energietisch, dass Bürger direkt in den Aufsichtsrat der Netzgesellschaft gewählt werden können. Auch der Senat will eine Bürgerbeteiligung, er setzt aber genauso auf Fachleute aus Politik und Wissenschaft, die beratend zur Seite stehen.
Als weiterer Bewerber engagiert sich die Energiegenossenschaft "BürgerEnergie Berlin". Um das Stromnetz zu kaufen, haben sich dazu bislang rund 1200 Bürger zusammengetan.
Der Checkpoint Energie, Rudi-Dutschke-/Ecke Markgrafenstraße ist Dienstag und Mittwoch von 12 bis 16 Uhr, Donnerstag 14 bis 18 Uhr geöffnet, 25 80 01 50, die kostenlose Info-Hotline: 0800/809 80 24 00.
Autor:Jana Tashina Wörrle aus Charlottenburg |
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