Kochen auf höchstem Niveau
Küchenchef Andries Dijks kocht seit zwölf Jahren auf engstem Raum in 207 Meter Höhe
Gebratener Winterkabeljau, geschmorte Ochsenbacke und Entenkeule sind die neuen Leckereien auf der Abendkarte im Restaurant Sphere im Fernsehturm. Das Team von Küchenchef Andries Dijks brutzelt in 207 Meter Höhe in Deutschlands höchstem Restaurant.
Wenn derzeit unten die Weihnachtsbuden und das Riesenrad neben dem Roten Rathaus blinken, sitzen oben die Gäste im schicken Turmrestaurant und genießen bei einem Wein oder heißer Schokolade und regionalen Speisen die Gulliver-Perspektive. Sie umrunden zweimal pro Stunde die Küche, in der das Team von Küchenchef Andries Dijks auf engstem Raum dafür sorgt, dass es den Gästen in Deutschlands höchstem Bauwerk schmeckt. Die Küche ist nur elf Quadratmeter groß. Da muss jeder Handgriff sitzen, wenn Dijks und seine drei Kolleginnen pro Schicht die Bestellungen abarbeiten.
Vorgekochte DDR-Klassiker
„Wir arbeiten hier auf engstem Raum zusammen, da muss man sich verstehen“, sagt Jacqueline Hoffmann und legt hausgemachte Königsberger Klopse auf das Kartoffel-Petersilien-Püree, während Dijks den Fernsehturmklassiker mit Rote-Bete-Salat drapiert. Die Köchin ist seit 1979 dabei. In der damaligen Ostküche und auch noch später durften oben aus Gründen des Brandschutzes im Prinzip nur die Teller belegt werden. DDR-Klassiker wie Steak Letscho oder Würzfleisch wurden unten vorgekocht.
Vieles wird nach wie vor in der 30 Quadratmeter großen Hauptküche im Sockelbau des Fernsehturms vorbereitet. Suppen und Soßen zum Beispiel werden unten fertiggemacht. Und auch die Entenkeulen und Ochsenbacken, die lange geschmort werden müssen, kann man nicht in der Miniküche zubereiten. Doch längst gibt es in Deutschlands höchster Küche eine Bratenplatte, auf der Chefkoch Andries Dijks Kabeljau und Rinderfilet brutzelt.
"Ein sehr besonderer Arbeitsplatz"
Der Niederländer hat in Hotels auf der ganze Welt gekocht und ist seit 2011 Chef de Cuisine im Fernsehturm-Restaurant. „Es ist ein sehr besonderer Arbeitsplatz; jeder kennt den Fernsehturm“, sagt der 57-Jährige. Seine Freunde würden ihn manchmal aus Spaß Fernsehkoch nennen, erzählt Dijks. Das passt. Und er ist ein ganz besonderer Fernsehkoch: Keiner, der in der Glotze für die Zuschauer am Herd steht, sondern einer, der in Deutschlands höchster Fernsehantenne kocht.
Wenn Dijks zur Arbeit kommt, hat er schon 25 Kilometer Fahrradfahrt in den Beinen. Seit vier Jahren radelt er bei fast jedem Wetter von Eichwalde nach Mitte – und wieder zurück. Das sind rund 1000 Kilometer im Monat. Der Chefkoch fährt wie das andere Küchenpersonal auch jeden Tag allein nach oben. Aus Hygienegründen dürfen die Küchencrew genauso wie die Essenwagen nicht zusammen mit Besuchern in den Fahrstuhl. Die Gäste staunen manchmal nicht schlecht, wenn Dijks allein im Lift verschwindet und nach oben düst. Aber lange müssen sie ja nicht warten – die Hochgeschwindigkeitslifts im Fernsehturm brauchen nur 40 Sekunden bis in 203 Meter Höhe zur Aussichtsplattform.
Bis zu 1400 Bestellungen am Tag
Andries Dijks steigt vier Meter höher aus. Die Fahrstuhltür öffnet sich in 207 Meter Höhe im schmalen Gang fast neben der Küche. Diesen Weg nehmen auch die etwa 90 Currywürste, 60 Portionen Rindermedaillons, 60 Kabeljaufilets, 40 Ochsenbacken sowie 30 Kilogramm Röstgemüse und Ofenkartoffeln, die vor Restaurantöffnung nach oben müssen. Sollte was ausgehen, wird eben ein Gastrowagen mit Nachschub zwischendurch nach oben geschickt. Im Schnitt um die 800, aber auch mal bis zu 1400 Essenbestellungen müssen die Küchencrews in den Früh- und Abendschichten zwischen 10 und 23 Uhr abarbeiten. Tagsüber laufen die Frühstücksplatten, Currywürste und Turm-Burger besonders gut bei den Gästen, abends die Fischgerichte und Rindermedaillons. Dazu kommen immer wieder Buffets, die Andries Dijks Team für Veranstaltungen wie Firmenfeiern aufbaut. Langweilig wird es in Deutschlands höchster Küche nie. Den atemberaubenden Ausblick genießt der Chefkoch noch heute. Wenn er morgens oben ankommt, schaut er erstmal auf die große Stadt.
"Viel mehr als nur Fernsehen"
Der 1969 eröffnete Berliner Fernsehturm ist mit 368 Metern Deutschlands höchstes Bauwerk und wichtigster Sendemast der DFMG Deutsche Funkturm GmbH. Die 2002 als Tochter der Deutschen Telekom gegründete Firma betreibt über 34.600 Funkstandorte in Deutschland. Aktuell werden über den Berliner Fernsehturm 44 digitale TV-Programme, 57 digitale und 19 analoge Radioprogramme übertragen. Er versorgt die Region in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern mit verschiedenen Diensten wie hochauflösenden DVB-T2-Fernsehsignalen, analogem und digitalem Radio, Richtfunkverbindungen für Mobilfunk, Behördenfunk, Internetdiensten sowie speziellen Funknetzen für Unternehmen wie die BVG. Künftig soll er 5G-Netze bereitstellen für das Internet der Dinge (IOT) oder für die Steuerung autonomer Fahrzeuge. „Der Fernsehturm kann viel viel mehr als nur Fernsehen“, sagt Bruno Jacobfeuerborn, Geschäftsführer der Deutschen Funkturm.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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