Digitalhauptstadt bleibt Internetwüste
Senat hat noch immer nicht die Ausschreibung für ein kostenloses Stadt-WLAN gestartet

Auf dem Dach der Alexwache haben zwei Antennen freies WLAN ermöglicht. Sie sind wie Tausende andere seit Januar deaktiviert.  | Foto:  Dirk Jericho
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Seit dem 1. Januar ist das kostenlose Stadtnetz „Free Wi-Fi Berlin“ offline. Auch sieben Monate nach Ende des fünfjährigen Pilotprojektes hat der Senat noch immer keine Neuausschreibung für das stadtweite Umsonst-Internet gestartet.

In Jugendklubs, Bibliotheken, Rathäusern, Musikschulen und Seniorenklubs ist seit Monaten Funkstille. Das kostenloses Stadt-WLAN „Free Wi-Fi Berlin“ ist abgestellt. Auch auf vielen öffentlichen Plätzen wie am Brandenburger Tor, auf dem Alexanderplatz, vor dem Roten Rathaus und in der Staatsoper sind die Funkantennen deaktiviert. Denn die Internetfirma ABL Solutions hat zum 1. Januar das Umsonst-Internet mit zuletzt 2050 WLAN-Basisstationen an 499 Standorten außer Betrieb genommen. Der Grund: Der Vertrag zwischen dem Senat und der Nürnberger Betreiberfirma lief nach fünfjähriger Pilotphase planmäßig Ende 2021 aus.

Der Senat will das Stadt-WLAN neu ausschreiben. Doch auch sieben Monate nach dem Projektende 2021 befinde sich die Ausschreibung des landeseigenen IT-Dienstleistungszentrums (ITDZ) nur „in der Vorbereitungsphase“, wie Sylvia Schwab, Sprecherin der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport sagt. Die Zuständigkeit für das „Free Wi-Fi Berlin“ ist mittlerweile von der Senatskanzlei in die Verantwortung von Digitalstaatssekretär Ralf Kleindiek übergegangen.

Zugang ohne Werbung

Zukünftig soll das Berlin-Netz werbefrei sein. Der Senat sucht per Ausschreibung einen Betreiber, der für das ITDZ im sogenannten Fremdbetreibermodell die WLAN-Router installiert und schnelles Internet bereitstellt. Dafür stehen jährlich 2,1 Millionen Euro zur Verfügung. Bisher hatte der Senat für den Betrieb des „Free WiFi Berlin“ nur etwas mehr als eine halbe Million Euro jährlich an ABL bezahlt. Die Kosten wären höher gewesen, wenn ABL nur das Netz betrieben und gewartet hätte. Einen Teil der Einnahmen hatten die Nürnberger mit Werbung generiert. Wer sich mit dem kostenlosen WLAN „Free WiFi Berlin“ per Handy oder Computer verband, konnte zwar unbegrenzt surfen, zum Start musste man allerdings einen Werbespot anschauen, erst dann ging es weiter. Das soll künftig nicht mehr so sein.

Für die Übergangszeit hatte ABL den Bezirken und Partnern an allen 499 Standorten angeboten, Einzelverträge abzuschließen. Wenn ein Rathaus oder Seniorenclub das WLAN bezahlt, werden die Antennen wieder angeschaltet. „162 Standorte mit 969 Hotspots haben die Übergangslösung bei ABL bislang angefragt“, sagt Kleindieks Sprecherin Sylvia Schwab. ABL-Projektleiter Mario Jakob bestätigt das. Wie viele letztendlich tatsächlich einen Jahresvertrag abgeschlossen haben, will er aus Konkurrenzgründen auf dem Internetmarkt nicht verraten. „Es waren aber wenige“, sagt Jakob nur. Ein Grund ist, dass etliche Bezirke wegen Haushaltssperren keine Mittel freigegeben haben. Die Kosten für eine WLAN-Basisstation belaufen sich zum Beispiel am Alexanderplatz auf 26 Euro monatlich. Dort haben bisher 13 Antennen das freie WLAN geliefert – zwei davon auf dem Dach der Alexwache. ABL verhandelt derzeit mit dem Alexmanager vom Bezirksamt über eine Übergangslösung. Sollen die 13 Basisstationen wieder angeschaltet werden, müsste der Bezirk im Jahr 4056 Euro an ABL bezahlen, wenn er dort freies WLAN will.

Rund sechs Millionen Nutzer im Monat

Dass das kostenloses Stadt-WLAN „Free Wi-Fi Berlin“ sehr erfolgreich war, zeigen die Zugriffe von rund sechs Millionen Nutzern im Monat. ABL spielt das „Free Wi-Fi Berlin“ auch an allen acht Universitäts- und Hochschulstandorten aus. Über die 6000 Hotspots in und außerhalb der vielen Gebäude haben so auch Besucher und Touristen Zugriff auf das Umsonst-Internet. Die 6000 Uni-Hotspots laufen im Vergleich zu den 2050 stadtweiten Zugangspunkten von Anfang an werbungsfrei. Die Kooperation zwischen ABL und dem Hochschulnetzwerk Education Roaming (eduroam) läuft nach wie vor. „Im Rahmen einer Übergangslösung haben wir die Kooperation in Zusammenarbeit mit dem Zuse Institut Berlin ohne Serviceunterbrechung fortgeführt und bauen sie weiter aus“, sagt ABL-Mann Mario Jakob.

Seine Firma, die in mehreren Bundesländern öffentliche WLAN-Netze betreibt, wartet jetzt auf die Ausschreibung des Senats und will sich erneut bewerben. Der Abgeordneten Tobias Schulze (Die Linke) fordert, dass der Senat in der Neuausschreibung andere Schwerpunkte setzt. „Wir brauchen kein freies Internet an touristischen Hotspots wie Brandenburger Tor oder Alex, sondern dort, wo Menschen leben, die sich keine Handyflatrates leisten können“, so Schulze. Er will, dass die Internet-Boxen vor allem in Bibliotheken, Jugend- und Seniorenklubs sowie auf Spielplätzen und in Stadtparks installiert werden. Berlins kostenloses Stadt-WLAN sollte in der zweiten Jahreshälfte 2022 wieder funktionieren, teilte der Senat dem Abgeordneten Tobias Schulze noch Anfang des Jahres mit. Doch die Digitalhauptstadt bleibt wohl noch länger offline.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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