Von den Nazis umbenannt
Grüne wollen Infotafel zu geschichtlichem Hintergrund am Grazer Platz
Am Grazer Platz soll künftig eine Tafel über die Umbenennung des Platzes durch die Nationalsozialisten und die Geschichte dahinter informieren.
Das Vorhaben geht auf einen Antrag der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zurück. Nach der Beratung im Ausschuss für Weiterbildung und Kultur wurde der Antrag in der BVV einstimmig beschlossen. In die Konzeption und den Erstellungsprozess der Tafel soll die Evangelische Philippus-Nathanael-Gemeinde einbezogen werden, deren denkmalgeschützte Kirche auf der Westseite des Platzes steht.
Von 1928 bis 1939 hieß das rechteckige Areal nach der Kirche Nathanaelplatz. Die Umbenennung des Platzes sowie die Benennung des Grazer Damms, der für die dort von 1938 bis 1940 errichteten Siedlungshäuser neu angelegt wurde, erfolgte am 27. März 1939. Einer der Gründe für die Namenswahl war der „Anschluss“ des Bundesstaates Österreich ins Deutsche Reich. Die Stadt Graz galt damals als besonders nationalsozialistisch geprägt. Aber es ging auch um den Apostel Nathanael, einen der Jünger Jesu, der als jüdischer Namensgeber nicht erwünscht war.
Die Siedlung zwischen Vorarlberger Damm und Prellerweg, errichtet von der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugenossenschaft (GSW), wurde als Blockrandbebauung gestaltet. Sie besteht aus sechs Häuserblöcken, zwei westlich, vier östlich der namensgebenden Straße. Das Besondere an der Anlage – mit mehr als 2000 Wohnungen das größte Wohnungsbauprojekt der NS-Zeit – waren laut Landesdenkmalamt Berlin die ungewöhnliche Weite der Blockinnenbereiche und die Öffnungen in den Häuserreihen. Diese Maßnahmen verwiesen auf die bereits 1938 vor Kriegsbeginn eingeführten Luftschutzbestimmungen. So sollte der Kamineffekt bei Feuer vermieden werden und der Luftdruck von Bomben entweichen können.
Die architektonisch sparsam gestalteten Häuser entsprachen den bereits im Jar 1935 verordneten Vorgaben für „Volkswohnungen“ – einfachste, billige Mietwohnungen ohne Zentralheizung, Warmwasser und Balkon. Die Siedlung stand zudem im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau Berlins zur „Welthauptstadt Germania“ des Architekten Albert Speer. Die Wohnungen wurden den sogenannten Abrissmietern zur Verfügung gestellt, die von den vorgesehenen oder bereits erfolgten Flächenabrissen für Speers Pläne betroffen waren.
Einige Häuser wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und zum Teil wieder aufgebaut. Trotz der Verluste gilt die Siedlung als ein wichtiges Zeugnis nationalsozialistischen Städtebaus.
Über all diese Fakten soll nach dem Willen der Bezirksverordneten künftig eine Tafel am Grazer Platz informieren.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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