Zu spät für Schmerzensgeld?
Missbrauchsopfer verklagen Bezirk und Land

Kindesmissbrauch: Das Jugendamt Schöneberg hat zwei Jungen an einen Pädophilen vermittelt. | Foto: KEN
  • Kindesmissbrauch: Das Jugendamt Schöneberg hat zwei Jungen an einen Pädophilen vermittelt.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Zwei Jungen aus Schöneberg sind über Jahre von ihrem Pflegevater sexuell missbraucht worden. Das Jugendamt Schöneberg hatte seinerzeit die Jungen dem Pädophilen zugewiesen. Jetzt wollen die Missbrauchsopfer auf Schmerzensgeld klagen. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und die Senatsverwaltung weisen jede Verantwortung in dem Fall zurück.

Der sexuelle Missbrauch der beiden Schöneberger Jungen liegt 30 Jahre zurück. Ende 2017 ist ihr Martyrium öffentlich bekannt geworden. Die Missbrauchsopfer sind heute Mitte dreißig und voll erwerbsgemindert. Die Psyche spielt nicht mit nach all dem Erlebten. Beide haben sich einen Anwalt genommen und wollen Bezirk und Land auf Schmerzensgeld verklagen. Das hat als erstes die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrer Ausgabe vom 23. Juli berichtet.

Es war kein Zufall, dass in Berlin ein Pädophiler Pflegekinder zugewiesen bekam. Die von der SPD geführte Senatsverwaltung für Familie, Jugend und Sport hatte damals das Projekt des 2008 verstorbenen Psychologen und Sozialpädagogen Helmut Kentler genehmigt, „sekundär schwachsinnige“ Kinder und Jugendliche bei pädophilen Männern in Pflege zu geben, damit sie „liebesfähig und arbeitsfähig“ würden. 1982 soll Kentler geäußert haben, nicht der Sexualverkehr, sondern der Straßenverkehr sei für Kinder schädlich. 2013 berichteten die „tageszeitung“ und das Magazin „Der Spiegel“ von diesen Vorgängen.

Es war Helmut Kentler, der zwischen dem ebenfalls schon verstorbenen Pädophilen H. und dem Schöneberger Jugendamt den Kontakt hergestellt haben soll. Kentler soll H. und die Kinder häufig besucht haben. Laut Anwalt der Schöneberger Missbrauchsopfer war Berliner Jugendämtern seit Ende der siebziger Jahre bekannt, dass gegen H. wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt wurde.

Bezirk: Fälle sind verjährt

Von alledem wollen das Bezirksamt und die Senatsverwaltung heute nichts wissen. Im Haus von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) wird auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz verwiesen, das die Betroffenen beantragen könnten. Auf Schmerzensgeld bestehe kein Anspruch. Aus dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg ist zu hören, die Fälle der Schöneberger Jungen seien verjährt. Dem damals für die Jungen zuständigen Mitarbeiter des Jugendamtes – er ist inzwischen pensioniert – sei kein Amtspflichtverletzung vorzuwerfen. Er habe von den pädokriminellen Vorwürfen gegen H. nichts gewusst beziehungsweise wissen können. Das Bezirksamt verweist auf das laufende Verfahren. Aus Gründen des Schutzes persönlicher Daten werde zudem zu konkreten Einzelfällen keine Auskunft erteilt.

Gefragt werden darf aber, wie sich der Missbrauchsfall aus Schöneberg mit den Vorgaben für die Jugendämter verträgt, mögliche Pflegeeltern strafrechtlich zu überprüfen und ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen. Erst seit 1. Januar 2012 werde ein erweitertes Führungszeugnis von Pflegestellenbewerbern verlangt, so Bezirksamtssprecher Johann Fenster. Bis 1984 habe ein einfaches Führungszeugnis genügt.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 278× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 409× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 129× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 271× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.