Heimatkunde der schönsten Art
Auf der „Insel-Tour“ Schöneberger Geschichte im Selbstversuch erleben
„Viel Vergnügen beim Erkunden“, wird im „Insel-Tour“-Heft gewünscht. Um es gleich vorwegzunehmen: Wer sich auf die Erkundungstour auf der Schöneberger oder Roten Insel begibt, wird dieses Vergnügen haben. Geschichte wird lebendig. Wir haben es ausprobiert.
Den Rundgang im von Eisenbahnlinien umgebenen und daher als „Insel“ bezeichneten Quartier zwischen Kolonnenstraße, Gasometer und Industriegebiet an der Wilhelm-Kabus-Straße beginnt an der Informationstafel Nummer 1 am S-Bahnhof Julius-Leber-Brücke. Diese Tafel sind wie die übrigen im Straßenbild gut zu erkennen: Ihre Röhren sind rot lackiert.
19 Stationen
Insgesamt 19 Stationen haben die Erfinder der Tour, Experten aus dem Kunst- und Kultur- sowie aus dem Stadtplanungsamt, ausgewählt. Auf den dazugehörigen Info-Tafeln sind historische Fotografien zu sehen. Sie machen aus einem öden Ort wie der Wilhelm-Kabus-Straße einen Ort lebendiger historischer Erinnerung. Erzählt wird vom einstigen Militärbahnhof (Tafel 8), der in den 1870er-Jahren gebaut und nach den Bomben des Zweiten Weltkriegs 1955 als Ruine abgerissen wurde.
Die kurzen Texte auf den Tafeln informieren bündig. So hat man viel Zeit zum Schauen und Nachdenken über die Geschichte markanter Bauwerke, von denen die Rede ist: vom Bahnhof Schöneberg, von der Königin-Luise-Gedächtniskirche, vom Gasometer, der alles überragt, von Brücken, Grünanlagen und vom Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof; über die Ereignisse: den Gleis- und Straßenbau und dem Erwachen eines „Klassenbewusstseins“ der vielen Arbeiter, die neben Militärangehörigen im Quartier lebten; und schließlich über Persönlichkeiten aus dem Viertel wie die Widerstandskämpfer Annedore und Julius Leber, der Weltstar Marlene Dietrich oder der „Heimatmaler der Großstadt“, Hans Baluschek.
Die meisten Informationstafeln sind in der Leberstraße zu finden. Die Straße war die erste neue Straße der „Insel“, der Äcker und Wiesen, die bis 1905 nahezu vollständig bebaut waren. Die Straße wurde damals nach der Schlacht von Sedan im Deutsch-Französischen Krieg 1870 benannt.
Bis heute ist die Leberstraße die wichtigste Geschäftsstraße. Inhabergeführte Läden, Boutiquen und Lokale säumen sie. Viele Fassaden der einstigen Mietskasernen sind saniert. Man spürt den Aufwertungsdruck auch hier.
In der Leberstraße lässt sich gut eine Pause einlegen, vielleicht in dem gemütlichen Café, in der Pizzeria in der parallel verlaufenden Gotenstraße oder im Restaurant mit süddeutscher und österreichischer Küche. Wer im Cheruskerpark Rast machen will, versorge sich in der Leberstraße mit frisch Gebackenem.
Die „Insel-Tour“ eignet sich gleichermaßen für Eilige (mit dem Fahrrad) wie für Flaneure. Jeder kommt auf seine Kosten, nicht nur die Touristen, die heutzutage auch in die Geschichte der von ihr bereisten Stadt und ihrer Viertel eintauchen möchten. Es ist Heimatkunde der schönsten Art.
Weitere Informationen auf www.inseltour-berlin.de.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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