Aus der bewegten Geschichte des „Goya“ alias Neues Schauspielhaus

Seit 2014 steht es ungenutzt da, das "Goya", Schönebergs größte Vergnügungsstätte. | Foto: KEN
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  • Seit 2014 steht es ungenutzt da, das "Goya", Schönebergs größte Vergnügungsstätte.
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Es gebe nur lose, unverbindliche Anfragen von Leuten, die irgendwelche Nutzungsideen hatten, nichts Konkretes, gibt Baustadtrat Jörn Oltmann Auskunft.

6000 Quadratmeter in Toplage – einst Drehort für "Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse" 1962, Diskothek, in der David Bowie, Depeche Mode und Nina Hagen auftraten, und Ort für Empfänge, Modenschauen und exklusive Partys – liegen seit 2014. Wie schade für ein Haus mit dieser Geschichte. So lassen wir die Nadel des Kiezkompasses solange kreisen, bis sie auf die bewegte Vergangenheit des ehemaligen Neuen Schauspielhauses am Nollendorfplatz zeigt. Es ist die Zeit, da das Bürgertum in den Neuen Westen zieht und Berlin, das erst 1870 Reichshauptstadt geworden ist, beginnt, sich zu einer attraktiven Metropole zu entwickeln. Der Nollendorfplatz und seine Umgebung avancieren mit den Jahren zu einem bedeutenden Ort der Intelligenz.

1906 entsteht fast gleichzeitig mit der Hochbahn der riesige Komplex. Er erstreckt sich über den gesamten Häuserblock zwischen Motz- und Nollendorfstraße und umfasst Wohnungen, ein Theater mit 1108 Plätzen und den pompösen, vollständig mit Mahagoni ausgekleideten Mozartsaal. Musik-, Operetten-, Volkstheater- und Schauspielaufführungen stillen den Durst nach Unterhaltung. Der Mozartsaal für Konzerte wird schon bald erstes Berliner Kino und nennt sich Lichtspielhaus. Es besitzt ein eigenes Stummfilmorchester. Die Platzanweiser tragen ihre Livre passend zum gezeigten Film.

Aushängeschild des neuen Kulturtempels ist seine Fassade mit den beiden Türmen, die glücklicherweise die Kriegszerstörungen überlebt hat. Sie trägt noch Elemente des Jugendstils, weist aber schon auf die kommende Moderne hin. Die Moderne, die Avantgarde, zieht 1927 mit einem der einflussreichsten Theaterregisseure seiner Zeit, Erwin Piscator (1893-1966), an den Nollendorfplatz. Piscator hat sein Engagement an der Volksbühne aufgelöst. Die Schauspielerin Tilla Durieux und andere schießen dem Begründer eines politischen Theaters Geld für eine eigene Bühne vor.

Revolutionär ist nicht nur die Art und Weise, in der Piscator inszeniert, revolutionär ist auch das dramaturgische Kollektiv, das der Theatermann plant. Auch Bertolt Brecht soll dazu gehört haben. Doch der Stückeschreiber hält Piscators Theater für vordergründige Politpropaganda und schlägt ihm vor, es R.K.T, Rotes Klubtheater zu nennen. Brecht kommt nicht einmal zur Eröffnung des Hauses am 3. September 1927, zu der Ernst Tollers "Hoppla, wir leben!" Premiere feiert.

Erich Kästner ist von der Zeitrevue begeistert. Mit dieser Aufführung beginnt, wenn nicht alles trügt, eine neue Epoche der deutschen Theatergeschichte, schreibt er in einer Theaterkritik.

Erwin Piscators Theater sind nur knapp zwei Spielzeiten vergönnt. Zu hoch sind die Betriebskosten, zu wenig zahlungskräftig ist sein revolutionär gesinntes Publikum. Die Weltwirtschaftskrise tut ein übriges. Piscator flieht vor dem Berliner Fiskus als Filmregisseur in die Sowjetunion.

Erich Kästner hat das Theater so gut kennen- und lieben gelernt, dass es Eingang in "Emil und die Detektive" findet. Im Hof beziehen die Jungen ihren letzten Beobachtungsposten, um den Dieb Grundeis zu stellen: "Der Professor führte seine Leute rasch durch das eine Tor, das an einem Lichtspieltheater vorbei in einen großen Hof führt, der sich hinter dem Kino und dem Theater am Nollendorfplatz ausbreitet.

A propos Kino: Das Lichtspielhaus ist im Dezember 1930 Schauplatz tagelanger Proteste gegen den Antikriegsfilm "Im Westen nichts Neues" nach dem Roman Erich Maria Remarques. Weiße Mäuse im Parkett, Stinkbomben und Pöbeleien gegen Kinobesucher geschehen auf Anweisung des NSDAP-Gauleiters Joseph Goebbels. Am Ende haben die Nazis Erfolg. Der Film wird in Deutschland verboten.

Seit 2014 steht es ungenutzt da, das "Goya", Schönebergs größte Vergnügungsstätte. | Foto: KEN
Figurenschmuck an der Fassade des Theaters. Foto: KEN | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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