Ausstellung „Zwischen Gleisen“ macht den Kiez ein Stück zum Wohnzimmer
Schöneberg. Wer in diesen Tagen auf der Roten Insel zu Fuß unterwegs ist, sollte vielleicht einmal nicht auf sein Smartphone gucken, sondern sich aufmerksam umschauen. Es gibt etwas zu entdecken.
Über den Kiez verstreut hängen an Mauern, Hauswänden, Zäunen oder Geländern gerahmte Fotografien und Texte. Jedes Bild mit Text von einem Ort befindet sich auch an diesem. 20 Exponate sind es insgesamt.
Initiatorin der Ausstellung im öffentlichen Raum ist die Autorin Auguste von Blau. Die Bilder stammen vom Düsseldorfer Sozialdokumentarfotografen Thomas Klingberg. Die ersten Fotos entstanden im Dezember 2016, das letzte vor zirka drei Wochen. „Wir hoffen, dass sie möglichst lange hängen bleiben“, sagt von Blau – theoretisch also für immer. „Zwischen Gleisen“ haben die beiden Künstler die Schau unter freiem Schöneberger Himmel genannt. Sie ist einzureihen in ihr längerfristiges Projekt „Poesie und Alltag“.
Für Thomas Klingberg aus der Rheinmetropole und die Berlinerin Auguste von Blau, die zu Beginn der 80er-Jahre auf der Schöneberger Insel gearbeitet hat, stehen nicht prominente Menschen und Gebäude des Kiezes wie Hildegard Knef und Marlene Dietrich, Julius und Annedore Leber, der Gasometer oder die Königin-Luise-Gedächtniskirche im Mittelpunkt. „Es geht uns um das ganz besondere, das einzigartige und liebenswerte, das prägende und immer spannende Element der Roten Insel, um den Alltag und die Poesie darin“, erläutert Auguste von Blau.
So sieht man beispielsweise am Aufgang zum S-Bahnhof Schöneberg auf Klingbergs Fotografie denselben Aufgang mit einer hinaufhastenden Person, an einem Wohnhaus in der Ebersstraße das Bild einer zerbrochenen Fensterscheibe mit TV-Schüssel, wie sie sich genau einige Stockwerke darüber befindet, oder an der Umzäunung eines Spielplatzes das Foto eines im Sand liegenden Wasserbehälters aus Plastik. Dazu hat Auguste von Blau passende Prosa- oder Lyriktexte verfasst. Sie sind neben oder unter Klingbergs Aufnahmen zu finden.
Üblicherweise hänge man Bilder ins Wohnzimmer, so Auguste von Blau. Durch die gerahmten Bilder in Straßen und auf Plätzen erhalte der Kiez „eine zarte Ahnung von Wohnzimmer“. Es geht aber nicht allein um das Durchbrechen der Anonymität in der Großstadt. Es gehe auch darum, Blicke zum Stolpern zu bringen, sagt Auguste von Blau. „Wir möchten einladen, wieder hinzuschauen.“ Hinterfragt wird, ob das, was man tagtäglich sieht, auch das ist, was man zu sehen glaubt, ob die Erinnerung an die gewohnten Wege aktuell ist.
„Zwischen Gleisen“ wurde vom Kiezfonds Schöneberg mit rund 1500 Euro gefördert. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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