Das atmende, offene Bild: Ein Besuch bei der Schöneberger Künstlerin Regina Liedtke
Schöneberg. Weit reicht das Auge über die Dächer des Schöneberger Nordens und den St. Matthäus-Kirchhof. Unterm Gebälk eines Gründerzeitwohnhauses hat Regina Liedtke ihr „outer space“, wie sie ihr Atelier auf dem Dachboden nennt. Ein Besuch bei der Künstlerin.
Hier oben, gleich einem Adlernest, richtet Regina Liedtke den Blick nach innen. Aus sich selbst schöpft sie ihre Inspiration, zunächst für Acrylbilder, Ölbilder und Werke in Mischtechnik, die Bilder mal figürlich, mal abstrakt, rhythmische Farbharmonie losgelöst von allem Gegenständlichen; später für Objekte und Installationen, heute für Performances und Videoarbeiten.
So war das schon immer. Sie stamme aus einem „ziemlich kunstfernen Elternhaus“, erzählt die gebürtige Berlinerin mit den feinen Gesichtszügen. „Ich bin als Kind nicht in Ausstellungen geschleppt worden.“ Fast schon Glück also, dass es in der Schule einen Kunstlehrer gab, der sie ermutigte und ihr allen Freiraum ließ, der nötig war. Trotzdem machte Regina Liedtke zunächst eine „solide“ Ausbildung zur Erzieherin und arbeitete einige Jahre in diesem Beruf. Weil sie „Kinderbücher, Plakate für Öffentlichkeitsarbeit und andere in die Gesellschaft hineinwirkende Dinge machen wollte“, strebte sie ein Studium im Fach Visuelle Kommunikation an. Dank einer „besonderen künstlerischen Begabung“ konnte sie ohne Abitur an der damaligen Hochschule der Künste (HdK), heute die Universität der Künste UdK, ihr Fach studieren. Es folgte ein Studium der freien Bildenden Kunst und Malerei an. Sie schloss als Meisterschülerin von Klaus Fußmann ab.
Frei soll ihre Kunst sein und frei soll sie bleiben, entschied die heute 64 Jahre alte Künstlerin. Eine hauptberufliche Verwertung ihrer künstlerischen Arbeiten auf dem Kunstmarkt kommt für Regina Liedtke nicht in Frage. Aber weil man ohne Geld nichts machen kann, wie schon Vincent van Gogh wusste, wandte sich Liedtke erfolgreich der Kunsttherapie zu.
Die beiden Tätigkeiten laufen aufs Beste nebeneinander her, in der Praxis in Charlottenburg und im Dachbodenatelier in der Hochkirchstraße. Beide Sphären befruchten sich gegenseitig. Zum Verkauf einer ihrer Arbeiten sei sie erst bereit, sagt Liedtke, wenn sie beim Käufer „ein gutes Gefühl“ habe.
Hausgötter hat Regina Liedtke auch. In den Anfängen waren es Alberto Giacometti, der späte Rembrandt und der spanische Meister des Informel, Antoni Tàpies – und Joseph Beuys. Letzterer ist es geblieben, „mein non plus ultra“, sagt Regina Liedtke. Fasziniert sei sie von seinem erweiterten Kunstbegriff und seiner „sozialen Plastik“. Sie denke künstlerische, gesellschaftliche und psychosoziale Entwicklungsprozesse zusammen.
Also horcht Liedtke in sich hinein, geht künstlerischen und philosophisch-spirituellen Fragen nach. Aktuell fließen alle Formen kreativer Arbeit ineinander. Die Künstlerin nennt es Performance-Arbeit. Mit stehender Kamera filmt sie eine Malaktion, die sie in der Medienwerkstatt Berlin zu einem eigenständigen Videoclip weiter bearbeitet. „Langes Ackern für eine Minute Film.“
Regina Liedtke engagiert sich in der „Koalition der Freien Szene Berlin“, die für neue Förderstrukturen in der Kunstförderung der Hauptstadt kämpft. „Ein zähes Geschäft, aber es tut sich etwas.“
Eigentlich wären die Arbeiten der Schönebergerin eine Ausstellung in der bezirkseigenen kommunalen Galerie wert. Gefragt hat Regina Liedtke noch niemand, geschweige denn einen Atelierbesuch abgestattet. Der Trend geht auch im Haus am Kleistpark woanders hin, zu den etablierten Künstlern. „Die kommunalen Galerien wollen sich mit ihnen schmücken und so demonstrieren, wie international sie sind“, merkt Regina Liedtke kritisch an.
Also macht sie alleine weiter am „atmenden Bild, das offen ist und weiter lebt“, da droben unterm Himmel von Berlin. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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