Gestorben aus Kummer
Friedrich von Falz-Fein und der Naturpark Askania-Nowa
In der Abteilung 5 auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof an der Kolonnenstraße fällt ein imposantes Grabmal auf. Zwei aus Granit gehauene Adler, Sinnbild von Kraft, Erneuerung und Besonnenheit, wachen über die Grabstätte.
Zu lesen ist: „Hier ruhet in Frieden der grosse Schöpfer von Askania Nowa“ und der Name des Bestatteten: Friedrich von Falz-Fein (1863-1920). Was ist Askania Nowa, wer war Falz-Fein? Askania-Nowa, Neu-Askanien, nimmt Bezug auf das deutsche Uradelsgeschlecht der Askanier, die für die Geschichte der heutigen Bundesländer Niedersachsen, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt bedeutend waren.
Askania-Nowa ist aber auch ein Naturpark in der Südukraine von der Größe Münchens. In dem 333 Quadratkilometer großen Unesco-Biosphärenreservat nördlich der Krim leben exotische Tiere wie Antilopen, Bisons, Zebras und Strauße in freier Wildbahn; nicht zu vergessen die Przewalski-Pferde, die letzten echten Wildpferde der Welt. Und Friedrich von Falz-Fein ist sein Schöpfer. „In der weiten endlosen Steppe Südrusslands, wo das Auge vergeblich nach einem Baum oder Strauch sucht, liegt ein stilles Tierparadies. Ein hochragender, schattenspendender Hain, plätschernde Wasserläufe und weite schimmernde Teiche mit dichtem Röhricht und anschließenden saftigen Wiesen beherbergen eine Fülle mannigfaltigster Tiergestalten“, berichtet ein F.E. Stoll 1914 in der baltischen Monatsschrift „Deutsche Monatsschrift für Russland“ über Askania-Nowa, das damals noch im Zarenreich lag.
Der Urgroßvater von Friedrich Jakob Eduardowitsch Falz, seit 1864 Falz-Fein, seit 1915 Baron von Falz-Fein, hatte die anhaltische Kolonie Askanija-Nowa vom Dessauer Herzog gekauft. Der Zar hatte seine Erlaubnis gegeben. Der Kaufvertrag beinhaltete auch 49 000 Schafe, 640 Pferde und 549 Rinder. Das Gut wurde als Schafs- und Pferdefarm bewirtschaftet.
Falz-Fein aber, der Naturwissenschaften studiert und 1890 den Betrieb übernommen hatte, wandelte seinen Besitz nach und nach in ein Naturschutzgebiet mit botanischem Garten und Tierpark um. Es war seinerzeit eines der größten der Welt. Sogar der Zar stattete Neu-Askanien einen Besuch ab.
Die Oktoberrevolution brachte die dramatische Wende für den Park und für die Familie. Die Bolschewiken konfiszierten den Besitz. Askania-Nowa wurde verwüstet. Die Ukraine wurde zu einem Hauptschauplatz des russischen Bürgerkriegs. Die Familie Falz-Fein floh am 1. April 1919 auf dem letzten Dampfer, der in Sewastopol Richtung Konstantinopel (Istanbul) ablegte, aus dem Land. Nur Falz-Feins Mutter blieb zurück und wurde von den Bolschewiken erschossen. Von Konstantinopel ging es nach Berlin. 1920 ist Friedrich von Falz-Fein gestorben, aus Kummer über sein verlorenes Tierparadies, wie erzählt wird. Der Tod ereilte ihn während eines Kuraufenthalts in Bad Kissingen. Zur Beisetzung wurde sein Leichnam nach Schöneberg überführt.
Noch viel mehr über das heutige, großartige Unesco-Naturschutzgebiet in der Südukraine und über Friedrich Falz-Fein erfährt man von Hanna Slobodyanyuk-Montavon und Bertram von Boxberg in einem Bildervortrag am 10. Juni 18 Uhr in der Kapelle des Alten Zwölf-Apostel-Kirchhofs, Kolonnenstraße 25. Der Schauspieler und Dokumentarfilmer Bertram von Boxberg hat sich über Pfingsten ein eigenes Bild von Neu-Askanien gemacht. Zu der Veranstaltung bei freiem Eintritt hat sich der Botschafter der Ukraine, Andrij Mеlnyk, angekündigt. Die gegenwärtige politische Situation dort wird ebenfalls Thema des Abends sein.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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