Das Paradies der Damen
Gutbürgerliches Leben am Barbarossaplatz vor über 100 Jahren

Schmuckstück in der Mitte des Platzes: der Kinderbrunnen. | Foto: KEN
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  • Schmuckstück in der Mitte des Platzes: der Kinderbrunnen.
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Am Barbarossaplatz, benannt nach dem Stauferkaiser Friedrich I. „Barbarossa“, ließ es sich vor über 100 Jahren gutbürgerlich leben.

1906 war der Platz an Barbarossa-, Eisenacher und Schwäbischer Straße als Schmuckplatz fertiggestellt worden. Ein stattlicher Brunnen mit achteckigem Becken aus Muschelkalk ziert ihn. Auf dem Rand sitzen Kinderfiguren aus Bronze, weshalb er auch „Kinderbrunnen“ heißt. Geschaffen hat ihn 1913 der Deutschbalte Constantin Starck (1866-1939), einer der wichtigsten Vertreter der Bildhauerei am Beginn der Moderne.

Den repräsentativen Platz umstanden fünf große Stadtpalais. Greifen wir das Jahr 1910 heraus. Im Haus Nummer 1 allein gab es sechs Geschäfte: die Barbarossa-Apotheke, die Verlagsbuchhandlungen Krecht und Simon, ein Kaffeespezialitätengeschäft und ein Versicherungsbüro. Ein Paradies für die Damenwelt war die Posamentwarenhandlung der Geschwister Vogel, wo es Zierbänder, gewebte Borten, Fransenborten, Kordeln, Litzen, Quasten, Volants, Spitzen aller Art, überzogene Knöpfe und Ähnliches gab.

In Nummer 2 befanden sich eine „Drogenhandlung“, also eine Drogerie, dazu eine Konditorei, eine Butterhandlung und eine Filiale der Kaffeehandlung Tengelmann. Nebenan konnte sich der Herr mit Rauchwaren versorgen. In Nummer 3 gab es noch eine Milchhandlung und die Buchhandlung Genck. Aus dem Haus Nummer 4 wurden Konserven in alle Welt verschickt und Blumen verkauft.

Das wohl bedeutendste Gebäude am Platz war das Chamisso-Lyceum, Schönebergs erste „Höhere Mädchenschule“ und Berlins zweite überhaupt. Sie wurde 1905 bis 1908 unter dem Architekten und Baustadtrat in der damals selbständigen Stadt Schöneberg, Paul Egeling (1856-1937), errichtet. Die Gründung des Gymnasiums für Mädchen war im April 1900 erfolgt. Es war zunächst in der Gemeindeschule in der Apostel-Paulus-Straße untergebracht, bis der Ansturm den Neubau am Barbarossaplatz notwendig machte. Kaum war er eingeweiht, hatten sich bereits 1100 Schülerinnen angemeldet, was bald zwei weitere höhere Mädchenschulen erforderlich machte. Sie wurden 1908 und 1909 in der Rubenstraße und der Kolonnenstraße 21-23 (heute Robert-Blum-Gymnasium) gebaut.

Der Lehranstalt stand in den ersten Jahren Professor Dr. R. Schmidt vor. Der Direktor wohnte auch im Schulgebäude, ebenso der Heizer Jaede und der Schuldiener Richter. Eine Mehrzahl der Mitglieder des Lehrerkollegiums war weiblich. Ausgebildet waren die Frauen an privaten Oberlehrerinnenseminaren. Sie verdienten weitaus weniger als ihre männlichen Kollegen. Bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mussten die Lehrerinnen auch ledig bleiben. Erst die Weimarer Verfassung gewährte ihnen das Recht zu heiraten.

Während des Zweiten Weltkriegs hat der Platz sehr gelitten. Fast alle historischen Gebäude wurden beschädigt. Man riss sie ab und baute an ihrer Stelle in den Fünfzigern schlichte Wohnhäuser, die inzwischen zum Teil modernen Häusern mit Eigentumswohnungen gewichen sind. Seit September 2014 ist die Gegend um den Barbarossaplatz milieugeschützt.

Die ehemalige Chamissoschule und der Brunnen wurden wieder aufgebaut. Die Figuren waren im Krieg eingeschmolzen worden. Der heute 91-jährige Bildhauer Heinz Spilker schuf sie nach Fotos neu.  Heute befindet sich im Haus des Lyzeums die Volkshochschule und eine Grundschule.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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