Pflanzen in der Natur und auf der Leinwand
Schöneberg. Olaf Tetzinski lebt seit 30 Jahren auf der Schöneberger Insel. Den Zwölf-Apostel-Kirchhof nennt er „meinen Park“. Hier spaziert oder joggt der gelernte Gärtner und Florist, der sich mittlerweile auf die Naturheilkunde verlegt hat. Auf dem Friedhof zeigt er den unvermutet großen Pflanzenschatz.
Olaf Tetzinski gerät ins Schwärmen. Auf Friedhöfen sei generell reine Stadtnatur zu erleben. Hier sei man der Natur ganz nah; ein wahres Paradies für Vögel und Pflanzen. Und viele Kräuter und Blumen, die man auf dem Zwölf-Apostel-Kirchhof findet, seien essbar. „Hier wird nicht gespritzt“, so Olaf Tetzinski.
Weil auf dem Kirchhof gerade Blutpflaumenblüte ist, gehört sein Interesse zuallererst diesem Baum, dessen rote Blätter und die Blüten gut schmecken sollen, etwa „als Dekoration auf der Erdbeertorte“.
Ebenso essbar ist die Zuchtform des Gänseblümchens, die den hübschen Namen Bellis oder Tausendschön trägt, und selbstverständlich auch das Gänseblümchen selbst, genauso wie die aus Nordamerika stammende, immergrüne Mahonie, die nicht nur Bienen und Hummeln als „Weide“ gefällt. Sie ist eine Heilpflanze, die gegen Juckreiz wirkt. Der Weg der rund einstündigen Pflanzenerlebnisführung auf Einladung der Zwölf-Apostel-Kirchhöfe führt dann zu einem lebenden Fossil. Zu Anschauungszwecken zupft Olaf Tetzinski eine Sporenähre des Ackerschachtelhalms aus dem Boden. „Die sind wunderbar essbar.“ Sie schmeckten etwas nach Pilz.
Später würden daraus die „quirlständigen Sprossenblätter“, die grünen Schachtelhalme, die wie winzige Tannenbäumchen den Boden übersäen. Den Schachtelhalm, der viel Kieselsäure enthält, kann man in der Küche verwenden: gekocht als Gemüse oder zum Polieren der Fingernägel.
„Was hier unten wächst, ist das behaarte Schaumkraut“, erzählt Olaf Tetzinski anschließend. Die Verwandte von Kresse und Meerrettich enthalte unter anderem viel Vitamin C. 100 Gramm Schaumkraut decken den Tagesbedarf am Vitamin um das Dreifache.
Daneben wachsen die „etwas muffig schmeckende“ rotblühende Taubnessel und die Vogelmiere, ein Kraut wie gemacht, um daraus eine Suppe zu kochen, meint der Experte. „Bis Anfang des 19. Jahrhunderts gab es diese Pflanze auf unseren Wochenmärkten zu kaufen.“
Im Anschluss an die Führung wurde die thematisch sehr passende Ausstellung „Wilde Botanik“ eröffnet. Im Foyer der Kapelle ist eine Serie kleinformatiger Acrylbilder von Judith Brunner zu sehen. Als Vorlage diente der Schöneberger Künstlerin, die an den Kunstakademien in München und Berlin studiert hat, alte botanische Zeichnungen. Diese Darstellungen habe sie in Bezug zu klaren Farben und klaren geometrischen Formen gesetzt und so ihr eigenes Verhältnis zur Natur künstlerisch ausgedrückt, sagt Brunner, die in ihrem Atelier am Gustav-Müller-Platz arbeitet, also in unmittelbarer Nachbarschaft zum Zwölf-Apostel-Kirchhof. Die Ausstellung ist werktags zu sehen von 8 bis 14 Uhr, Kolonnenstraße 24-25KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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