Stille Helden des Widerstands
Seit Kurzem erinnert eine Gedenktafel an Familie Kolzer

Viktoria Kolzer und ihr Mann Jean, hier mit Sohn Oskar, halfen einer jungen Jüdin, sich vor der Gestapo zu verstecken. | Foto: Repro: KEN
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Ein Foto mit drei Personen darauf und ein kurzer Text auf Deutsch und Englisch: Die zweiteilige Acryltafel an der Hausnummer 28 in der Nollendorfstraße kann der Vorübergehende kaum übersehen.

Die Erinnerungstafel rechts der Eingangstür konfrontiert mit einem noch immer weitestgehend unbekannten Kapitel der Nazizeit: den „stillen Helden des Widerstands“. Menschen wie Viktoria und Jean Kolzer und ihr Sohn Oskar. Am 22. November 1943 nahm die Familie die 19-jährige jüdische Vollwaise Hanni Weissenberg in ihre Eineinhalbzimmerwohnung im Parterre des rechten Seitenflügels in der Nollendorfstraße 28 auf. Sie konnten sie auf diese Weise bis zum Kriegsende vor der Deportation schützen.

In der Ausstellungsinstallation „Wir waren Nachbarn. 159 Biografien jüdischer Zeitzeugen“ im Rathaus Schöneberg ist nachzulesen, wie Hanni Weissenberg zu den Kolzers kam. Mit 13 Jahren hatte sie ihre Schule verlassen müssen, weil sie Jüdin war. Ihr Vater starb 1940 an den Folgen der Zwangsarbeit, ihre Mutter 1942, weil ärztliche Hilfe fehlte. Ihre Großmutter Cäcilie Oberländer wurde im Herbst des Jahres nach Theresienstadt deportiert. Sie kam ein halbes Jahr später um. Da war Hanni schon selbst Zwangsarbeiterin in der Spinnstofffabrik Zehlendorf. Sie entkam den Verhaftungen und Deportationen der „Fabrikaktion“ in Berlin und tauchte unter, eine von 7000 Juden, die sich mithilfe von Freunden und Fremden versteckten und tarnten.

Hanni Weissenberg und Viktoria Kolzer lernten sich bei den Schwestern Elfriede und Grete Most kennen, bei denen sich die junge Jüdin seit Februar 1943 verborgen hielt. Als dieses Versteck nicht mehr sicher war, schlüpfte Hanni Weissenberg in der Nollendorfstraße unter.

Wenige Monate später starb Jean Kolzer. Die beiden Frauen mussten von den mageren Zuteilungen auf Viktoria Kolzers Lebensmittelkarten existieren. Die Nächte verbrachten sie gemeinsam im Luftschutzkeller, um keinen Verdacht zu wecken. Die Leute hielten Hanni Weissenberg für die junge Hilfe der älteren Frau.

Beide überlebten das Kriegsende. Hanni Weissenberg zog 1946 zu ihrem Onkel nach Paris. Sie heiratete einen Herrn Lévy und bekam zwei Kinder. Auf ihre Veranlassung hin wurde Viktoria Kolzer – wie die Most-Schwestern – 1978 als „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem geehrt.

Bereits 2010 hatte die Eigentümergemeinschaft der „Nolle 28“ im Hof eine Gedenktafel für Jean und Viktoria Kolzer angebracht. Nun also ist eine Erinnerungstafel auch rechts neben dem Hausportal sichtbar. Seit 2011 liegt ein Stolperstein für Hannis Großmutter Cäcilie Oberländer vor dem Haus in der Else-Lasker-Schüler-Straße 5.

Die frühere rbb-Redakteurin Dagmar Pfeiffer drehte 2015 für die Ausstellung im Rathaus Schöneberg den Film „Hanni Lévy, Zeitzeugin“. Im Oktober 2017 feierte das abendfüllende Kinodrama „Die Unsichtbaren – Wir wollen leben“ Premiere. Filmemacher Claus Räfle zeigt darin am Beispiel von vier Menschen, wie es Juden in Berlin gelungen ist, sich für die Behörden unsichtbar zu machen und so Hitlers Häschern zu entgehen. Die Geschichte von Viktoria Kolzer, dargestellt von Naomi Krauss, und Hanni Lévy-Weissenberg – gespielt von Alice Dwyer – wird auch erzählt. Im Film blondiert sich die junge Hanni die Haare, um als scheinbare Arierin unerkannt über den Kurfürstendamm spazieren zu können. Die beiden Acryltafeln rechts vom Hausportal in der Nollendorfstraße 28 erinnern an die "stillen Helden", die Familie Kolzer.

Viktoria Kolzer und ihr Mann Jean, hier mit Sohn Oskar, halfen einer jungen Jüdin, sich vor der Gestapo zu verstecken. | Foto: Repro: KEN
Die beiden Acryltafeln rechts vom Hausportal in der Nollendorfstraße 28 erinnern an die "stillen Helden", die Familie Kolzer. | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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