Der malende Chronist
Zum 150. Geburtstag des Künstlers Hans Baluschek

Hans Baluschek in seinem Atelier 1904/1905.  | Foto: Archiv Bröhan-Museum
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  • Hans Baluschek in seinem Atelier 1904/1905.
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Am 9. Mai war Hans Baluscheks 150 Geburtstag. Mehr als drei Jahrzehnte lebte, arbeitete und wirkte der Künstler in Schöneberg. Dort starb er, dort wurde er begraben.

Eine Jubiläumsausstellung im Bezirk für den bedeutenden Maler des Großstadtrealismus gibt es jedoch nicht. Das übernimmt das Bröhan-Museum in Charlottenburg. "Brigitte Garde, Pressesprecherin der Museen Tempelhof-Schöneberg, erklärt dazu, Hans Baluscheks Werk aus dem Tempelhofer Kunstdepot sei Teil der Ausstellung "Verborgene Schätze" im Museum Tempelhof im Herbst gewesen. Im dazu erschienenen Katalog gebe es ein ausführliches Kapitel über den Künstler mit vielen Abbildungen.

1895 zog Hans Baluschek nach Schöneberg auf die „Rote Insel“. Sein Atelier befand sich in der Gotenstraße 4, von 1898 bis 1907 dann in der Cheruskerstraße 5. Als Sechsjähriger war der 1870 in Breslau geborene, einzige Sohn eines Eisenbahningenieurs nach Berlin gekommen. Die Familie wohnte in Kreuzberg. Bereits als 15-Jähriger hatte Hans Baluschek die Malerei entdeckt. Nach dem Abitur 1890 fand er umgehend Aufnahme an der Berliner Kunstakademie unter der Leitung des strengen, sehr konservativen Historienmalers Anton von Werner.

Bald fand sich der spätere „scharfe Beobachter, brillante Künstler und engagierte Chronist seiner Zeit“, so Bröhan-Museumskurator Fabian Reifferscheidt über Hans Baluschek, in Opposition zum herrschenden Kunstkanon. Baluschek interessierte sich für Eisenbahnen – er sammelte leidenschaftlich Lok- und Waggonmodelle, die sich in seinen Bildern wiederfinden sollten –, für Industrielandschaften und Elendsviertel, Proletarier und Außenseiter der Gesellschaft, Armut, Hunger und Verwahrlosung. Für deren Darstellung entwickelte der Künstler eine eigene Maltechnik, um die Atmosphäre wiederzugeben, „wie ich sie mir in ihrem grauen Charakter empfinde“.

Kaier Wilhelm II. und seine Entourage verpassten Hans Baluschek das Etikett des „Rinnsteinmalers“. Das focht den aufstrebenden Künstler nicht an. Er war einer der Gründungsmitglieder der „Berliner Secession“. Er war um die Jahrhundertwende Kollege von Käthe Kollwitz an der Künstlerinnenschule in der Potsdamer Straße. 1898 hatte er sich erstmals an einer Sezessions-Ausstellung beteiligt. Bis in die 20er-Jahre hinein blieben Baluscheks Arbeiten bestimmend für den kritischen Realismus, der die Entfremdung des Menschen vom Menschen und seiner Lebensumgebung schildert.

Motive findet Baluschek meist direkt vor der Tür seines Schöneberger Ateliers, 1907 bis 1913 in der Vorbergstraße 15 und 1914 bis 1917 in der Akazienstraße 30: Gasometer, Innsbrucker Platz, die Trasse der Potsdamer Bahn, Gleisanlagen. „Was mich um mich herum irgendwie berührt, ergreift, packt, erschüttert, gibt mir Impulse zu meinen Bildern“, so Baluschek einmal.

Zweimal war er verheiratet, seit 1902 mit der Theaterschauspielerin Charlotte von Pazatka-Lipinsky (1878-1969), die Ehe wurde 1913 kinderlos geschieden; von 1914 bis zu seinem Tod mit seiner ehemaligen Malereischülerin, der 25 Jahre jüngeren Irene Drösse oder Dröse. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, die 1916 geborene Regine und deren zwei Jahre jüngere Schwester Renate.

1914 meldete sich der Künstler freiwillig zum Kriegsdienst. Hans Baluschek war der konstitutionellen Monarchie nicht abgeneigt. Doch nach den Erschütterungen des Ersten Weltkriegs vollzog er eine Kehrtwende. Er bekannte sich zur Weimarer Republik, trat in die SPD ein und engagierte sich in der Kultur- und Bildungsarbeit.

Baluschek arbeitete als Zeichner und Karikaturist für Zeitschriften wie „Der wahre Jacob“, „Lachen links“, „Frauenwelt“, „Kulturwille“, „Der Bücherkreis“, „Proletarier“ und „Illustrierte Reichsbannerzeitung“ sowie für Schulbücher und Romane. Einem breiten Publikum wurde er erst durch die Illustration von „„Peterchens Mondfahrt“ (1919) bekannt. Hinzu kamen Kostümzeichnungen, Plakate und Bühnenbildentwürfe für Theater und Film.

In seinem Heimatbezirk Schöneberg war Baluschek, von 1918 bis 1928 in der Hauptstraße 34/35 wohnhaft, Vorsitzender der Kunstdeputation und gestaltete noch in verschiedenen anderen Funktionen das Kulturleben mit. So organisierte er im Herbst 1920 die Ausstellung „Das alte Schöneberg im Bilde“. Sie vereinte Ansichten, Pläne und Bilder zwischen 1685 und 1920. Von 1929 bis 1933 war Baluschek Leiter der Großen Berliner Kunstausstellung. In demselben Zeitraum konnte er ein „Turmatelier“ in den ehemaligen Ceciliengärten 27, heute Semperstraße, nutzen. Das hatte ihm der Bezirk aus Anlass seines 60 Geburtstages geschenkt.

Dann kamen die Nazis an die Macht. Sie brandmarkten ihn als „marxistischen Künstler“ und seine Werke als „entartete Kunst“. Sie verjagten ihn aus allen seinen Ämtern und nahmen ihm jegliche Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten. Nichtsdestotrotz waren 1933 und 1934 noch Werke von Baluschek in der Großen Berliner Ausstellung zu sehen.

Hans Baluschek musste sein „Turmatelier“ verlassen. Die letzten beiden Lebensjahre verbrachte er in Bozener Straße 13/14. Am 28. September 1935 starb der Großstadtmaler im Franziskus-Krankenhaus. Beigesetzt wurde Hans Baluschek auf dem heute nicht mehr existierenden Friedhof Schöneberg I an der Eisackstraße. Vier Jahre später fand eine Umbettung zum Wilmersdorfer Waldfriedhof in Stahnsdorf statt. Die Nazis brauchten die Fläche für ihre geplante „Welthauptstadt Germania“. In Stahnsdorf hat Hans Baluschek heute ein Ehrengrab des Landes Berlin. In Schöneberg erinnert eine Berliner Gedenktafel am Haus Ceciliengärten 27, heute Semperstraße, und eine schmale Grünanlage zwischen den S-Bahnhöfen Priesterweg und Südkreuz an den sozialkritischen Realisten.

Die Jubiläumsausstellung „Zu wenig Parfüm, zu viel Pfütze“ – nach den Worten des Kritikers Willy Pastor zu Beginn des 20. Jahrhunderts – im Bröhan-Museum zeigt bis 27. September rund 100 Werke. Es sind Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen sowie Exponate aus dem Bestand des Museums in Charlottenburg, das neben dem Berliner Stadtmuseum den größten Bestand an Baluschek-Werken besitzt.

Hans Baluschek in seinem Atelier 1904/1905.  | Foto: Archiv Bröhan-Museum
„Kohlenfuhren“ ist der Titel dieses 1901 entstandenen Ölgemäldes. | Foto: Foto: Stiftung Stadtmuseum Berlin/Reproduktion: Oliver Ziebe, Berlin
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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