Der Lyriker und Schwabe Dieter Wöhrle über Heimat und „Überzeugungsberliner“
Schöneberg. Was ist Heimat? Wie fühlt sie sich an? Keine leichte Frage: für Berliner, die vor fünf Jahrzehnten als „Gastarbeiter“ kamen – und blieben, aber auch für Mitbürger, die aus anderen deutschen Regionen in die Hauptstadt gezogen sind wie etwa der Schöneberger Lyriker Dieter Wöhrle.
„Sicher ist Heimat am wenigsten ein konkreter Ort, eher ein Gefühl, eine Art von Identifikation, die man sich selbst nicht erklären kann“, definiert Wöhrle. Als Beispiel nennt der selbst ernannte „Fußballignorant“ seine Freude, immer wenn Hertha BSC ein Spiel gewinnt. „Na ja, selten genug war das ja in den letzten Jahren.“ Sehnsucht verbindet er nicht mit Heimat. „Dieses Gefühl empfinde ich eher in Bezug auf etwas räumlich oder zeitlich Entferntes.“
Und wie sieht sich Dieter Wöhrle in Berlin? „Zunächst würde ich mich als eine Art „Überzeugungsberliner“ bezeichnen, sagt der Endfünfziger, der schon seit 1974 in der Stadt lebt. „Ich habe das Meiste und Beste dessen, was mich heute ausmacht, hier entwickelt und erfahren“, so Dieter Wöhrle zur Frage, ob er als gebürtiger Stuttgarter nicht zwei „Heimaten“ habe.
Also das römische „Ubi bene, ibi patria“ nach Aristophanes. Spirch: Wo es gut ist, ist Heimat? „War nicht immer ganz einfach in einer so großen und anonymen Stadt“, antwortet Wöhrle. „Aber als Ergebnis bleibt: Ich hätte es nicht besser treffen können.“
Sein Verhältnis zu Baden-Württemberg trübt trotzdem kein Wässerchen. „Es ist keineswegs negativ“, sagt der Deutschlehrer. Die schwäbische Mundart lasse ihn schmunzeln, sagt Wöhrle, bei dem man den süddeutschen Dialekt noch deutlich heraushört. „Maultaschen oder Spätzle liebe ich nach wie vor.“ Aber als Heimat will der Poet das Ländle nicht mehr bezeichnen. „Dazu habe ich dort zu wenige Kontakte und zu wenig zu tun.“
Es sei einfach eine Erinnerung an Kindheit und Jugend. „Was ja auch schon eine ganze Menge ist und uns ein Leben lang nicht mehr loslässt.“
Mit Blick auf den aktuellen Flüchtlingsstrom aus anderen Kulturkreisen nach Deutschland und Berlin und die Frage, ob es für diese Menschen in Deutschland „Heimat“ geben kann, meint Dieter Wöhrle: „Vielleicht nach langer Zeit“, und denkt an die türkischen Mitbewohner, die bereits in zweiter oder dritter Generation hier leben. „So richtig weiß ich das aber auch nicht.“ KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.